Tagebuch von Matthias Huth 2013

 

22. Juni 2013


Trio, unverbesserlich


Sie spielen es nur noch drei Mal: am heutigen Samstag, am Dienstag und am 4. Juli. Das ist schade, denn die Inszenierung von Theresia Walsers „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ ist eine der Besten, die ich in letzter Zeit im Kesselsaal des „e.werks“ gesehen habe. Der rätselhafte Titel zitiert Muammar al-Gaddafi, und in dem Stück geht es auch um Diktatoren.


Drei Witwen treffen sich zur Vorbereitung einer Pressekonferenz mit einem Dolmetscher, weil ihr Leben verfilmt werden soll. Es sind nicht irgendwelche Gattinnen, sondern Margot Honecker, Imelda Marcos und Frau Leila, welche eine Mischung aus Leila Ben Ali, Asma al-Assad und Suzanna Mubarak darstellt.


Und dann beginnen sich die einstigen Staats-Königinnen nach kurzem Smalltalk süffisant bis brutal zu beharken, und das ist ebenso grotesk wie entlarvend. Der Dolmetscher, zunächst servil und routiniert, doch im Laufe des Witwenkleinkriegs später dann endlich rebellisch, ist ebenso absurd definiert: ein Diener, der von der mächtigen Margot schon einmal gebrochen worden ist, und letztendlich auch in der Gegenwart seinen Dienst versieht.

Walsers Stück ist bitter, witzig und schauspielerisch ergiebig, und Regisseurin Daniela Kranz hat aus dem beklemmend aktuellen Plot etwas Tolles gemacht. Das geht schon beim Bühnenbild von Jutta Burkhardt los: eine Anspielung auf frühere DDR-Parteitage mit den Köpfen der Witwen als Profil vor rotem Vorhang, analog den sattsam bekannten Marxengelslenin-Gehängen.  Davor das Podium, daneben ein Schrein mit einem Paradiesbild im Hintergrund und ausgestelltem Schmuck, welcher die Diktatorengattinen magisch anzieht. Denn hier werden sie sich besonders inszenieren, denn sie wollen vor allem eins: Ewigkeit.


Das wirkt umso absurder, da sie ihre Macht, als verdient betrachten. Sie spielen Mensch, sind aber fast Ungeheuer. Die Farce ist ihr Selbstbild. Der Dolmetscher Gottfried weiß das, und versucht diplomatisch zu vermitteln, indem er falsch übersetzt. Doch er kommt immer mehr in Bedrängnis, eher er tassenzerschmeissend ausrastet. Das ist keine Revolution, aber ein Kontrapunkt, und der ist gut getimt. Überhaupt kann sich Paul Enke gegen die rollenschauspielerische Übermacht des Trios gut durchsetzen und gibt den Gottfried überzeugend in seiner Zerrissenheit.


Petra Hartung ist als Margot Honecker in ihrer Paraderolle. Wie sie da anfangs einmarschiert, die große Handtasche an sich gepresst; als Gegenentwurf zum blasierten Jetset, den die Herren Frau Imelda (Markus Fennert) und Frau Leila (Johannes Schmidt) verkörpern. Sie zeichnet die Honecker nicht als Knallcharge, sondern fasst sie in ihrer verblendeten Tragik auf, eine die es immer gut gewollt hat, und dabei über Leichen ging. Das ist auch die Qualität der Inszenierung: sie baut nicht auf vordergründigen Witz, sondern lässt den Figuren die Authentizität, um damit das Grauen, was hinter dem Geplänkel lauert, sichtbar werden zu lassen.


Während Hartung ihre schauspielerische Profession perfekt beherrscht, hapert es bei Fennert und Schmidt am Sprachlichen. Sie geben der grobschlächtigen Imelda und der berechnenden Leila durchaus überzeugend Gestalt, aber sobald sie ins Off sprechen, wird der Text verschluckt. Dadurch geht Information verloren, und so was sollte Inspizienz und Regie eigentlich merken. Denn das ist einfaches Bühnenhandwerk (aber vielleicht bin ich da durch das Spiegelzelt auch etwas verwöhnt).


Trotz dieses kleinen Mankos ist „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ eine schlüssige und kluge Inszenierung, die viel Publikum verdient. Der Schluss sei nicht verraten, ist aber bittere Konsequenz, die das Publikum vereinzelt zum Komplizen macht.

Sie spielen nur noch drei, von insgesamt fünf Aufführungen, denn zwei Schauspieler werden nach der Spielzeit das DNT verlassen, und eine Neubesetzung ist nicht in Sicht. Manchmal planen sie eben an ihrem Erfolg vorbei, oder glauben im „e.werk“ nicht mehr so richtig an sich. Das ist sehr schade, denn die „Äpfel“ hätten in dieser Inszenierung und bei etwas offensiverer Werbung zumindest ein Weimarer Bestseller werden können.


Deswegen Bravo und Träne im Augenwinkel.


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