Spiegelzeltblog 2013
8. Juni 2013
VIRTUOSE BLÖDELEI
Zum Spiegelzeltjubiläum durften sie nicht fehlen: das Duo „Carrington-Brown“. Wobei das Duo ja eigentlich ein Trio ist, denn das Cello von Rebecca Carrington heißt Joe und wird personifiziert, so dass der eingangs gespielte Bill Withers-Hit denn auch „Three of us“ heißt.
„Carrington-Brown“ steht sowohl für intelligenten Humor als auch musikalische Vielseitigkeit und Virtuosität. „Mit Schirm, Charme und Cellone“, so der Programmtitel, erobern die zwei Erzkomödianten im Handumdrehen das Publikum. Da wird Michael Jacksons „Moonwalk“ wieder lebendig, Udo Lindenbergs „Cello“ im englischem Akzent interpretiert, die Piaf als Schaf parodiert und die Königin-der-Nacht-Arie aus der „Zauberflöte“ gepfiffen. Rebecca Carrington und Colin Brown nehmen das Publikum auf eine höchst vergnügliche musikalische Weltreise mit. Was die Beiden da bieten ist phänomenal. Colin Brown versteht es, als Soulsänger oder Latin lover zu glänzen: er tanzt, arbeitet perkussiv und schlüpft in die verschiedensten Kostüme. Clownerie und Slapstick sind seine Passion, außerdem spielt er den Dudelsack virtuos, dekliniert Shakespeare durch verschiedene englische Dialekte und rappt überzeugend gut.
Rebecca Carrington steht ihm in nichts nach, im Gegenteil. Sie übernimmt den Großteil der Conferencen, und wenn dieses Energiebündel erzählt, kommt man aus dem Lachen kaum noch heraus. Schon als sie ihren beruflichen Werdegang mit Cello präsentiert, und die Schwächen klassischer Musiker parodiert, ist das ebenso virtuos wie kenntnisreich gespiegelt. Sie kann da auf eigene Erfahrung zurückgreifen, denn sie spielte in namhaften Ensembles wie dem London Philharmonic Orchestra oder dem Royal Philharmonic Orchestra mit. Doch offenbar wurde ihr das zu langweilig und sie verschrieb sich der musikalischen Komik, was bei ihrem Ausnahmetalent mehr als folgerichtig war. Expressiv und brillant bearbeitet sie ihr Cello, nutzt es als Gitarre, Kontrabass oder Schlaginstrument, singt hinreißend in den verschiedensten Tonlagen und versprüht dazu eine gehörige Prise Erotik. Es ist urkomisch wenn sie als Tenorimitation, das „Nessun dorma“ schmettert, indische Gesangskultur zeigt, über die deutsche Sprache sinniert oder amerikanische Oberflächlichkeit treffend aufs Korn nimmt.
Beide Künstler ergänzen sich hervorragend, sie sind füreinander geschaffen, und stehlen sich nicht gegenseitig die Show. Wenn sie Bob Marley aufleben lassen, den Song „An der Nordseeküste“ als englisches Original mit dem Publikum intonieren oder afrikanische Hits schmettern, dann bleibt kein Auge trocken. Und man sieht ihnen an: sie blödeln gerne. Ihr Humor ist ansteckend und international, ihr Können überragend. Wenn Rebecca Carrington in „Joes Stück“ zeigt, was sie instrumental vermag, dann merkt man, dass sie wirklich in allen Musikstilen zuhause ist. Zum Schluss wird mit vokaler Trompeten- und Bassimitation gejazzt und drei Zugaben, bei denen Armstrongs „Wonderful world“ und „Mr. Bojangles“ gesungen und vertanzt wird, beenden einen hinreißenden und witzigen Abend der Sonderklasse.
Im November wird die neue Produktion des Duos „Dream a little dream“ in Berlin Premiere haben. Da sollte das vierte Gastspiel von „Carrington-Brown“ im Spiegelzelt also schon vorprogrammiert sein.
FAZIT
Mitreißender musikalischer Humor auf höchstem Niveau.
SPRUCH DES TAGES
„So ist das Weimarer Publikum: reserviert, scheu oder... tot?“
Colin Brown
SPLITTER
Rebecca Carrington und Colin Brown sind jetzt schon fünf Jahre in Deutschland beheimatet. Aber die neue Landessprache bietet für die Sängerin und Cellistin immer noch Irritationen. Wenn sie die Begriffe Kreuzfahrt oder Fahrtwind hört oder an Raststätten den Slogan „Gutes Essen-gute Fahrt“ sieht, muss sie wegen der Phonetik immer lachen. Denn das englische „fart“ bedeutet Furz. Bei den Preisen an Autobahnraststätten vergeht ihr allerdings das Lachen wieder...