Tagebuch von Matthias Huth 2005

 

9. Oktober 2005

Kontrastprogramm

Unfreiwillig als Kontrastprogramm zum Zwiebelmarkt gesetzt, konnte die siebente Ausgabe des "backup"-Festivals den gewohnten Qualitätsanspruch halten. So hatte Weimar den Zeitpunkt des Volksfestes zur Genehmigungs-Bedingung des Kurzfilm-Wettbewerbs gemacht, um Anwohnerbeschwerden wegen der für das Festival momentan lebenswichtigen Partys auszuhebeln. Das wirkte sich leicht negativ auf Wahrnehmung und Besucherzahlen aus.
Die diesjährige Ausgabe bot neben verschiedenen Filmforen, dem Musik-Clip-Award ("Roll that stone" und "Panzer" als zwei erste Preise) und dem erstmals ausgelobten gesellschaftskritischen "Werkleitz"-Preis im Hauptwettbewerb den Extrakt aus 800 internationalen Einsendungen. Bei den im "backup-Award" gezeigten 52 Kurzfilmen kristallisierten sich drei Hauptströmungen heraus. Die Collage dominierte als Stilmittel bei verschiedenartigsten Animationen. Faszinierendes Beispiel bot "obJet" mit der minimalistischen Verschmelzung von Spam-Pornobildern. Den ersten Preis heimste die prämienververwöhnte surreal collagierte Stadtfantasie "City paradiso" ein.
Einen zweiten Schwerpunkt bildeten Meditationen. Ob als Standfotos mit Morphingverfahren ("To the sea" als dritter backup-Award-Preis), düster surrealistische Traumsequenz ("alpha DUSK"), oder die eindrucksvolle "Entdeckung der Zeit" mit einer Symbiose von Kreisform und Himmelsgeschehen - hier fanden inhaltliche Tiefe und technische Form zusammen.
Leider gab es auch Selbstzweckspielereien, die wegen der Herstellungsart vielleicht Insider befriedigten. Warum Nervereien wie "Ersatztitel" oder "dot" in den Hauptwettbewerb fanden, wird Rätsel der Vorauswahl bleiben.
Erfreulicherweise kam der Humor nicht zu kurz. Der Videoreporting- Vorjahrespreisträger Franz Wanner steuerte mit "Klappling" eine Fußballreportage zum Schlapplachen bei. Für makabere Momente sorgten unter Anderem der einminütige bulgarische Beitrag "In the garden of Eden" und die in expressionistischer Optik gehaltene Animation "Little Dog Turpie".
Letztlich gab es die kaum kategorisierbaren Favoriten. Die intelligente Konsumkritik "I took the red pill", die animatorische Visualisierung einer religiösen mexikanischen Zeremonie ("la letra con sangre entra") oder die aus amerikanischen Trickfilmen montierte Bildstörungsgeschichte "a violent history of interruption" werden länger im Gedächtnis bleiben. Persönlicher Favorit war die außerhalb des Wettbewerbs im Bauhaus-Forum gezeigte Animation "Rauch", die faszinierend und tiefgründig eine Geschichte der Endlichkeit erzählte.
Die Jury präferierte anders, und splittete den 2. Preis für die stilistisch vielfältig animierte Insiderglosse "I turn my face on the forest floor" und den gesellschaftskritischen, aber überwiegend konventionell gestalteten chinesischen Trickfilm "Visible City".
Insgesamt ist dem "backup"-Festival wieder internationale Qualität zu bescheinigen. Die etatbedingte Verschlankung und räumliche Konzentration ließ Schwerpunkte deutlicher konturieren. Trotzdem sollten öffentliche Geldgeber nicht darauf vertrauen, dass finanzielle Not erfinderisch macht. Denn es gilt ein Renommee zu verteidigen, sowie zukünftige Partys einzusparen, um attraktivere Veranstaltungszeitpunkte zu ermöglichen.


11. September 2005

Kartentricks und Schminke

Jede Frau hat ein kleines Geheimnis.
Diese Frauen haben ein besonderes Geheimnis, und es ist ebenso brisant wie gut gesichert. Es geht um die verkauften Karten unter der Kunstfestägide Nike Wagners. Und diese wiederum, wacht ebenso wie ihre Geschäftsführerin Franziska Castell mit Argusaugen darüber, dass diesbezüglich nichts Wahrhaftiges aus den Kunstfestungsmauern dringt. So, als ob das alles ihr eigenes Geld wäre!
Im zweiten Weimarjahr der Nike Wagner macht sich Unmut über die Intendantin und das Konzept breit. Es gibt berechtigten Anlass zu Befürchtungen, das angeblich sich langsam etablierende Kunstfest verzeichnet viele Boykottierungen. Nike Wagner provoziert nicht, sie brüskiert, und das wieder besseres Wissen. Doch der Reihe nach.
Dem diesjährigen Eröffnungskonzert ging eine Farce voraus. Um den Vorverkauf von 26(!) Karten zum Eröffnungskonzert in der Weimarhalle zu verschleiern, erging sich Nike Wagner zunächst in skurrilen Schuldzuweisungen an eine kommerzielle Klassikshow im Schlosshof. Abgesehen davon, dass eine Publikumsüberschneidung in diesem Falle sehr ungewöhnlich gewesen wäre, kann und muss Weimar seit Jahren durchaus mit konkurrierenden Kulturangeboten leben. Flugs wurden zur Wahrung offiziellen Scheins die "Junge Philharmonie Thüringen" und das örtliche Musikgymnasium als Besucher zwangsrekrutiert, und dann griff die Intendantin zu allem Überfluss unsachlich die Stadt an. Während sich Nike Wagner wegen Überschneidungen von Bürgerreise und DNT-Spielzeitauftakt erregte, verschwieg sie geflissentlich, dass ihr im Vorfeld mehrfach zu einer terminlichen Vorverschiebung des Kunstfestes angeraten wurde, und die Planungen von Stadttheater und Bürgerreise wegen solider Planungsarbeit längerfristig feststanden und feststehen mussten. Zudem war das Kunstfest sowieso als Attraktion der Weimarer Sommerpause gedacht.
Zwar gab Stadtkulturdirektor Felix Leibrock in einer verständlichen und mutigen Reaktion ob der unqualifizierten Anwürfe seine Kunstfestkarten zurück, doch sein Bürgermeister Volkhardt Germer glättete schnell und allzu verbindlich die Wogen. Und Nike Wagner wurde nach eigener Aussage im Ilmpark mehrfach spontan von Fremden umarmt, weil sie so mutig die Stadt kritisiert hätte. Eine Aussage, die man aus verschiedenen Aspekten anzweifeln könnte...
Natürlich enthält Nike Wagners Kritik partiell ein reales Problem: die mangelnde Koordination der Kultureinrichtungen. Bei der Weimar-GmbH gibt es eine Stelle, die zumindest diesbezügliche Information liefern kann und will. Annegrit Görmar engagiert sich seit Jahren im wertvollen Weimarer Kulturkalender, ist allerdings auf die institutionelle Zuarbeit angewiesen. Vielleicht sollte man diese wertvolle und rührige Ressource nicht ignorieren.
Während der stadtfestliche Kunstfestauftakt mit Reggae- und afrikanischen Ethnopop aus der mittleren Hauptstadtliga als Mini-Zwiebelmarkt mit anderen Mitteln und kläglicher Besucherzahl vergeigt wurde, zeigte das DNT bei seiner diesjährigen Spielzeiteröffnung, was solcher Anlass für Potential bieten könnte - vorausgesetzt, man würde Weimar wirklich lieben und versuchen zu verstehen. Insofern ist die für nächstes Jahr angekündigte Fusion von Kunstfesteröffnung und DNT-Auftakt zwar eine Synergie, aber auch ein unerklärtes Eingeständnis konzeptioneller Unfähigkeit.
Dafür sind Frau Castell und Frau Wagner in Bezug auf Bilanzzahlen durchaus kreativ. Man zeigt sich bei einem satten Etat von 1,9 Millionen Euro mit zehntausend verkauften Karten äußerst zufrieden, und weist diese als 81,6 prozentige Auslastung aus. Eine erstaunliche Berechnung.
In der diesjährigen Augustausgabe der Marketing-Zeitschrift "Medium Absatzwirtschaft" behauptet Geschäftsführergräfin Castell wörtlich: "Wir hatten im vergangenen Jahr 15 000 Besucher und damit eine Auslastung von 80 Prozent." Nun ja, man ist ja kein Erbsenzähler, aber was bedeutet dann eine 1,6 prozentige Steigerung?
Davon abgesehen ist diese Besucherzahlangabe vom Vorjahr auch eine sehr großzügige Auslegung. Verkauft wurden jedenfalls nur rund 5000 Karten.
Und bei simpler Berechnung diesjähriger Kapazitäten der angebotenen Veranstaltungen kommt man auf 16840 Plätze. Castell operierte in ihrer diesjährigen Auslegung mit 12000 möglichen Karten, das ist eine Minderung von fast einem Drittel.
Gibt es eine spirituelle Mathematik? Ansonsten nennt man so etwas in der freien Wirtschaft Bilanzfälschung, und das ist ein triftiger Entlassungsgrund.
Franziska Castell verkündete zudem, dass keinerlei Freikarten ausgegeben wurden, sondern selbst die Geldgeber ermäßigt kaufen mussten. Merkwürdig, dass beispielsweise ein Lokalpolitiker und Sponsor so reichlich mit Freitickets ausgestattet wurde, dass er sie trotz Schenkung nicht mal an den Kulturbürger bringen konnte.
Und damit zu eingangs erwähnten Befürchtungen. In den Thüringer Ministerien ist man ja bekanntermaßen auch nach Einsparungsmöglichkeiten im kulturellen Etat gezwungen. Bei unverändertem Agieren Nike Wagners gäbe es eine Steilvorlage, die staatlichen Zuschüsse zum Weimarer Kunstfest in Gesamtheit zu streichen, und damit die reale Gefahr, die Zukunft dieses Festivals auszuradieren. Wohlgemerkt: Niemand bestreitet, dass Nike Wagners Angebote eine Existenzberechtigung haben, und eine Bereicherung für eine spezielle Klientel darstellen. Aber steht der Etat in der Thüringer Kulturlandschaft wirklich in einem vernünftigen Verhältnis zur Besucherzahl? Ein Weimarer Kunstfest muss sein, es hat allerdings in der Vergangenheit bei minderem Etat wesentlich mehr verkaufte Karten erzielt und war somit schon besser etabliert.
Und es gibt in Schubladen schon jetzt bessere Konzepte, welche künstlerisch ebenso wertvoll wären, mehr Menschen ansprächen, und die Finanzen effektiver nutzten. Nebenbei: der Aufwand von Verwaltung und Marketing wird von Franziska Castell mit 700 000 Euro ausgewiesen. Das kann man fürstlich nennen.
Positiv vermerkt: Die Ausstellungen waren durchaus attraktiv. Zwar vermittelt die pornografisch dominierte ACC-Ausstellung für einen stolzen und hier erstmalig geforderten Eintrittspreis nicht eben feinsinnige Lust und ein merkwürdiges Frauenbild (Eine der Ausnahmen bildet der versteckte Film "The perewig maker"). Naomi Tereza Salmons Installation "Burning Blue Soul" verfiel mit überzeugender Grundidee und Gestaltung leider dem Jugendwahn und fristete mit seiner eher soziologischen Qualität im e-Werk ein Schattendasein. Die erfrischende, musikspielerische ZKM-Präsentation hätte einen anziehenderen Titel verdient, und die erotischen Linien des Neuen Museums zeigten brave Berliner Übernahme. Alle vier Ausstellungen waren mit der Thematik "Liebesträume" allerdings eher weitläufig verbandelt und hätten eigentlich des Kunstfestrahmens nicht bedurft.
Wie eine eiserne Gouvernante versucht Nike Wagner Weimar ihr eingeengtes und selbstherrliches Kunstverständnis aufzuzwingen. Auf dem Rücken der materiell am Boden liegenden Weimarer Kulturszene baut sie ihr privates Kunstfest vetternkulturhaft auf. Natürlich kann man mit hohem Etat Starkünstler verpflichten, die ihrerseits wieder präferierte Mitstreiter ziehen. Aber sollte es wirklich der Auftrag Weimars an sie gewesen sein, ein Kunstfest mit solchem Eventcharakter für Insider zu gestalten und damit eher die Feuilleton-Plattform zu befriedigen? Merke: Der zu Kontroll- und Beratungszwecken einbestellte Kunstfestbeirat tagte zuletzt im Oktober 2004.
Braucht diese Stadt wirklich eine autoritäre Belehrung, was Kunst von Unterhaltung scheidet? Und ist ein solches Konzept nicht schon deshalb widersprüchlich, weil es einerseits ein renommiertes und anspruchsvolles Gitarrenfest in Tiefurt aus dem Kunstfestrahmen verbannt, und dafür etablierte Nischen-Stars mit perfekter Musikalität aber voraussehbaren Ansätzen favorisiert? Und wieso bleibt Wagners Behauptung unwidersprochen, sie würde mit ihrem Angebot Weimars Ruf neu renommieren? Bis jetzt wird das Kunstfest kaum überregional wahrgenommen, und neue, kreative Ansätze sind eher im Interpretatorischen, denn im Schöpferischen zu entdecken.
Nike Wagners erklärtes Ziel war es, Weimar mit den "Liebesträumen" erotischer zu machen. Grundlos beleidigte, nörgelnde Diven sind eher abtörnend, und wenn sie ihre Partner nicht erst nehmen, dann wird es schnell langweilig und lustlos. Zudem sollten Beziehungen auf Lügenbasis schnellstmöglich beendet werden. Damit Selbstliebe nicht mit Liebe verwechselt wird.


2. September 2005

Unser Uwe

Ein stimmungsvoller Auftakt in der Klosterruine Paulinzella: Das idyllische Dörfchen hat mit dem viertägigen Kulturfestival eine neue Attraktion, das historische Gemäuer tut ein Übriges und auch der Wettergott besitzt ein Einsehen. Zwar waren die ca. 450 Plastikstühle leider nicht vollends besetzt, dafür die attraktivsten Sichtplätze von einem der Hauptsponsoren belegt, sodass eine gewisse Polarisierung sowohl auf, als auch vor der Bühne stattfand.
Uwe Steimle, der sächsische Kabarettist, Autor und Polizeirufassistent zieht die Sympathien des Publikums an diesem Donnerstagabend nicht nur aufgrund seines Heimatdialektes sofort auf sich. Er streichelt die ostdeutsche Volksseele mit einem trotzigen Selbstbewusstsein; ein pfiffiger Eulenspiegel, aber kein primitiver Hanswurst. Denn er ist ein genauer Beobachter westlicher Lebensunarten, und geißelt mit seinem Figuren Frau Bähnert und Herr Zieschong ebenso hiesige Trägheiten und Scheuklappen. Dabei führt er mit Doppelbödigkeit und Witz eine feine Klinge und lässt seine Erinnerungskultur an "MMM" und "Kurbrötchen" nicht selig verklären. "Dialekte sind die letzte Heimat", lässt er an einer Stelle seines kabarettistischen Lese-Programms "Uns fragt ja keener" verlauten, und das ist auch ein politisches Credo. Steimle ist diesjähriger Grimmepreisträger, das hat berechtigten und guten Grund. Er könnte sich bequen verbrüdern, aber das tut er eben nicht, und solches macht seine Qualität aus. Nach umwerfend komischer Zugabe als Honecker bei der Klärwerksübergabe in Wiebelskirchen überlässt der gefeierte Star die Bühne der "Köstritzer Jazzband", welche ihre hervorragenden Arrangements von Jazz- und Poptiteln leider in weite Leere spielt. Das haben die Musiker auch im 10. Jubiläumsjahr zwar nicht verdient, aber sie sind wenigstens bei einem hoffnungsvollen Start eines Kulturfestivals dabei gewesen.


29. August 2005

Fade Nachnutzung

Ein lauschiger Michaelishof, traditionelle Handpuppen und ein multifunktionales Bühnenbild (Christian Werdin) machen leider noch kein zündendes Theatererlebnis. Zumindest im Fall "Kasper dornt das Röschen" dürfte der Titel noch das Witzigste sein. Die neue "Waidspeicher"-Premiere vom Wochenende ist quasi ein Fortspiel des Kinderstücks "Dornröschen" von Peter Ensikat. Ausstattung und Figuren sind identisch, nur die Dialoge sind frecher und erwachsenengemäß. Mit dieser Übernahme wird gleichermaßen gespart und verschenkt: die Puppen sind zu bieder, das Bühnenbild engt die Farce eher ein. Es gibt sicherlich mehrere lustige Momente, aber für das aufgeschlossene Zielpublikum hätte man sich schon etwas mehr Absurdes und assoziative Reduzierung gewünscht. So bleibt es ein leicht anzügliches Familientheater, welches die Tradition augenzwinkernd belebt, aber in der Vorhersehbarkeit etwas fade wirkt. Auch das fünfköpfige Ensemble agiert unter seinen Möglichkeiten, Kathrin Blüchert bleibt als Kasper stimmlich zu blass, und generell gibt es für die letzten Zuschauer-Reihen ein akustisches und optisches Problem. Volkmar Funke liefert brave Ablauf-Regie, insgesamt alles unterhaltsam und sommerabendtauglich. Mehr nicht. Trotzdem freundlicher Applaus.


28. August 2005

Echter Weimarer Liebesbeweis

Einen eindeutigeren Weimarer Liebesbeweis hätte es am Samstagabend für das DNT nicht geben können: der Theaterplatz war um Mitternacht voller Menschen, die frenetisch das Eröffnungsfeuerwerk der Spielzeit feierten. Akustisch untermalt von der Staatskapelle Weimar mit Händels "Feuerwerksmusik" war dies solch grandioser Auftakt, dass manche Ortsunkundige sich bei der Kunstfesteröffnung wähnten.
Auch sonst hatte der Abend neben herausragenden künstlerischen Leistungen den Charakter eines gesellschaftlichen Höhepunkts. Stadtprominenz wie OB Volkhardt Germer und Frau, Stadtkulturdirektor Felix Leibrock, Stadtratsvorsitzender Horst Hasselmann, Rathaus-Pressesprecher Fritz von Klinggräff, Lotte-Chef Matthias Buß, Fotograf Harald Wenzel-Orff, Till Hafner, Friedrich Folger und Bauhaus-Professor Wolfgang Kissel sowie die Veranstalter Martin Kranz und Jürgen Schneider erwiesen, dem Haus ihre Referenz und ein aufgeräumter Hausherr Stefan Märki ließ es sich nicht nehmen, viele Gäste in persona zu begrüßen. Die Premiere von Kraussers "Diptychon", inszeniert von Claudia Meyer, welche den Theaterfestabend eröffnete, wurde eher mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Während Ingrid Kranz von der Inszenierung begeistert war ("grandios"), fand Hilde Scholz das Stück eher für das Foyer geeignet und bei einer Spielzeiteröffnung deplatziert. Übereinstimmend wurde die Akustik bemängelt und das Bühnenbild sowie die schauspielerische Leistung von Rüdiger Frank gelobt. Dieser sorgte dann mit seinen "Tom-Waits"-Coversongs im Foyer für einen nachmitternächtlichen Höhepunkt. Das intime Vorlese-Separeé wurde kaum angenommen, dagegen konnte der Schweizer Schauspieler Jonathan Loosli via Videoinstallation und persönlicher Präsenz viel Sympathiepunkte einheimsen, da er mit seiner Straßentheater-Performance humorvoll für seine neue Arbeitsstätte warb. Ein erfolgreicher Abend war es ebenfalls für "Bertagnolli" und das "Frauentor", die mit einer gastronomischen Neukonzeption einen überzeugenden und freundlichen Einstand gaben. Die einhundert Stückchen der Goethe-Geburtstagstorte, bestehend aus Biskuitteig, Nougatcreme und Marzipan waren nach dichter Umlagerung im Nu verzehrt, und machten geschmacklich dem Innenstadtcafe alle Ehre. Glanzpunkt des Theaterfestes war zweifellos Trompeter Naat Veliov mit seinem Kocani-Blasorchester. Die Zuschauer im großen Saal hielt es kaum auf den Sitzen, im Nu war die Fläche vor der Hauptbühne mit Bewegungslustigen gefüllt, welche die furiose mazedonische Musik begeistert tanzend feierten. Erst nach drei Uhr verließen dann die letzten Nachteulen das DNT mit der Gewissheit eine der spannendsten und mitreißenden Spielzeiteröffnungen erlebt zu haben.



14. August 2005

Sanfte Virtuosität

Der Wartburgfestsaal bot am Samstag Rahmen für einen Höhepunkt des mdr-Musiksommers: Das renommierte "Vogler-Quartett" konzertierte mit der Harfenistin Jana Bousková. Zu Beginn setzte das Streicherensemble mit Schuberts Quartettsatz c-Moll höchsten Qualitätsstandard. Feinsinnig abgestimmte Dynamik verlieh dem Stück spannende Intensität. Die Interpretation bot Perfektion bis ins Detail mit genauesten Nuancierungen. Gleiches galt für das Streichquartett B-Dur KV 589 von Mozart. Schwungvoll und präzise spielten sich die Musiker die Motive stringent zu und überzeugten vor allem im dritten und vierten Satz mit hoher Virtuosität und rhythmischer Kraft.
Jana Bousková hatte mit einer gefälligen Dussek-Sonate einen dramaturgisch unpassenden Einstand, brillierte dann im Duo mit Frank Reinecke mit der „Fantaisie op. 124“ von Camille Saint-Saëns. Fingerfertig und mit Sinn für Akkordik bot sie dem souverän gemeisterten Violinparcours kongenialen Part. Mit zwei für die Besetzung bearbeiteten Tänzen von Debussy fand der Abend einen fernöstlich geprägten und walzerbeschwingten Ausklang, der mit frenetisch erklatschten Zugaben von György Kurtag und Prokofjew gekrönt wurde. Eine kammermusikalische Sternstunde.


11. August 2005

Zärtliche Töne

Bei Noa vereinen sich Poesie und Popkultur in vollendeter Form, deswegen konnte die israelische Sängerin bei ihrem erneuten Auftritt in der Arena dem gewogenen Publikum sicher sein. Ihr ständiger gitarristischer Begleiter Gil Dor hatte neben seinem virtuosen Instrumentalkönnen auch hervorragende Arrangements in das Programm des Mittwochabends eingebracht. Zusammen mit Perkussionist Zohar Fresco und dem "Solis String Quartet" stand ein hochkarätiges Musikerensemble auf der Bühne.
Zur Eröffnung adaptierte das exzellente Streichquartett Pat Metheny, um dann akzentuiert die Sängerin zu begleiten. Noas Temperament sprang schnell auf das gut gefüllte Arenarund über. Popcover wie Alan Parsons "Eye in the sky" wechselten mit jemenitischen Hits und italienischen Canzonen, ein abwechslungsreicher Mix, der zusätzlich von afrikanischen und lateinamerikanischen Elementen bereichert wurde. Zudem ist Noa eine faszinierende Bühnenerscheinung, die mit wenigen Gesten und späterem Percussionspiel das Publikum verdiente Zugaben erklatschen ließ. Das innige "Ave Maria" beschloss einen der stimmigsten und schönsten Konzertabende der Saison, der von Florentin Vandenbergs Lichtregie sensibel veredelt wurde.


6. August 2005

Regenfeuerwerk

Es war ein Feuerwerk im Regen, welches am Freitagabend das spärliche Arenapublikum verzauberte. Die Allround-Schlagzeugerin Marilyn Mazur hatte neben der brasilianischen Vokalartistin Flora Purim die dänischen Perkussionistinnen Benita Haastrup, Lisbeth Diers und Birgit Løkke Larsen um sich geschart. Mit einem vielfältigen Arsenal von Rhythmusinstrumenten wie Steel drums, chinesischen Gongs und Marimbas bot das Quintett einen bunten und energiegeladenen Mix aus Folklore, Jazz und experimentellem Gesang. Arabische, indianische und afrikanische Einflüsse wurden mit Unisonogesang und sensiblem Zusammenspiel souverän eingearbeitet. Zudem choreografierten die fünf Frauen ihre musikalische Arbeit: ein Rausch aus Bewegung, Rhythmus und eingängigen Melodien.
Die Lichtshow unterstützte das Bühnengeschehen dabei kongenial, die mythischen Momente in tiefes Blau getaucht und feuerfarbene Hintergründe bei lateinamerikanischen Einschüben. Drei Zugaben entließen das aufgeheizte Publikum in die kühle Nacht und empfahlen das weltmusikalische Quintett als logischen Kandidaten im nächsten Rudolstädter Folkfestrahmen.


24. Juli 2005

Bildungsspaß

Vier Papierrollen, zwei Komödianten, eine multifunktionale Bühnenkonstruktion und fernbediente Musik bilden das Gerüst der erfrischenden Sommerpremiere "Ärger auf Walhall". Der neueste Streich der unermüdlich erfolgreichen Symbiose von "Figurentheater Weidringer" und "Theaterfirma" entführte das Premierenpublikum am Freitagabend im lauschigen Innenhof der Erfurter Musikschule in die graue Vorzeit nordischer Göttersagen. Die rührend ungelenken Akademiker Bärbel Schauer (Christiane Weidringer) und Manfred Svensson (Klaus Michael Tkacz) kämpfen neben eigenen Beziehungswirren mit pädagogischem Eifer um die Vermittlung der verästelten Sagen von Odin, Loki, Freia, und Thor nebst Riesen und Zwergen. Das geschieht so amüsant, kurzweilig und ideenreich, dass selbst Unkundige sich sofort heimisch fühlen. In rasantem Tempo spielen Weidringer und Tkacz sich in Vielfachrollen die Geschichtsbälle zu, und kämpfen zudem bewusst und humorvoll kalkuliert mit den Tücken des Bühnenalltags.
Papier fungiert in vielfältigster Form als temporäres Kostüm, formbare Requisite oder Vorhang. Das fast zweistündige Bühnenvergnügen liegt nicht nur beim Publikum sondern auch in der sichtlichen Spielfreude der beiden Akteure. Zugegeben: Mancher Slapstick stammt aus der Klamottenkiste und der zweite Teil erfordert dringend ein paar dramaturgische Straffungen. Doch insgesamt ist die Neuproduktion sehr anregend gelungen, mit intelligentem Witz ausgespielt und vermittelt zudem spannend und nachhaltig wichtiges Bildungsgut. Fazit: Furioses Sommertheater mit Anspruch und zwei urkomödiantischen Schauspielern. Trotz hitziger Schlachten auf der Bühne sollte man bei diesen Witterungsumschwüngen allerdings auf wärmende Kleidung nicht verzichten.



21. Juli 2005

Durchschnitts-Import

Selten so verregnet, selten so beliebig: die Kulturarena versuchte am Mittwochabend mit Jorane einen in diesen Breiten unbekannten Star zu präsentieren, doch die Überraschung blieb aus. Die frankokanadische Songwriterin, Sängerin und Cellistin ist eigentlich dem Hardrock verpflichtet, den sie mit konzertanten Mitteln zelebriert. Und sie geizt auch nicht mit Fremdeinflüssen, etwa wenn sie Stings "S.O.S." oder Discopop von Bronski-Beat, Klezmerpassagen, Wave oder Irish Folk in ihren Stücken verarbeitet. Und manchmal klingt es, als ob Patricia Kaas einen Soundtrack zu "Herr der Ringe" liefert. Teils schwermütig, mal mystisch und weitestgehend rockig präsentiert sich das Quartett mit Simon Godin (git, keyb) Drummer Alexis Martin und Bassist Fred Boudreau als Vielfalt ohne wirklichen Personalstil. Beeindruckend die Lichtshow, welche den sphärischen Bombast effektvoll untermalt, und die druckvollen Rhythmen lassen die Füße auf dem begossenen Arenaplatz tapfer wippen. Joranes Pfund ist ihre wandlungsfähige Stimme zwischen hymnischem Sopran und kraftvoller Altlage, die sie auf ihrem Cello adäquat begleitet. Dem Programmheft-Vergleich von Björk hält sie nicht stand, dazu fehlt kreative Harmonik und experimenteller Mut. So bleibt die Achtung vor einem begeisterungsfähigen und witterungsresistenten Arena-Publikum bei sympathischem Mittelmaßangebot.


15. Juli 2005

Perfekte Oberfläche

Die dritte Gemeinschafts-Produktion von Bauhaus-Uni und Weimarer Musikhochschule widmete sich zum "Rundgang"-Auftakt" am Donnerstagabend der Jazzsängerin Billie Holiday und zeigte beeindruckende Synergieeffekte auf. Während sich die Musikstudenten dem Œvre der Legende durch Standards wie "Lady Day" oder "Fine and Mellow" stilecht annäherten, steuerten unter Federführung von Wolfgang Kissel die Mediengestalter Johannes Romeyke und Stephan Witthöft mit Einfühlungsvermögen auf die Leinwand des vollbesetzten Lichthaus-Kinos computergestützte Live-Videoprojektionen, die sich kreativ auf das rare Bildmaterial stützten.
Mit tricktechnischen Verfremdungen, Slow-Motion-Effekten und Comic-Art fusionierten sie perfekt mit dem Bühnengeschehen. Dagegen boten die sechs Sängerinnen qualitativ unterschiedliche Leistungen. Der Anspruch des Vorbilds setzte hohe Ziele, und war von der Rhythmusgruppe mit Pianist Steffen Heintze, Matthias Eichorn (kb) und Henning Luther am Schlagzeug bestens besetzt. Die stimmigen Arrangements von Leiter Jeff Cascaro, der sowohl als sensibler Trompeter als auch als etwas affektierter Conferencier fungierte, konnten besonders im Satzgesang virtuos bedient werden. Stimmlich überzeugten nur Claudia Nehls mit warmem Timbre, der Norah-Jones-Touch von Julia Seiffert und Maria Kamutzki mit wandlungsfähigen Scats und Björk-Attitüde. Doch letztendlich blieb die Hommage perfekt projizierte Werbeoberfläche, die wenig von der Lebenswahrheit Billie Holidays vermittelte. Fazit: Ein mitreißender Abend mit vielen Potenzen.



11. Juli 2005

Entspannter Abschluss

Es war gewissermaßen ein doppelter Abschied, denn das "Spiegelzelt" plant bei der Auflage 2006 tanzbare Angebote aufgrund mangelnder Nachfrage zu reduzieren. Der Ort erfordert mit seinem Flair doch eher Literatur, Chanson und Kabarett, so "kulturdienst"-Manager Martin Kranz. Trotzdem konnten zwei Bands am Wochenende entspannte Akzente setzen.
Während das Quintett "Trance Groove" mit dem profilierten Keyboarder Helmut Zerlett und dem einfühlsam-virtuosen Trompeter Reiner Winterschladen mit Grooves zwischen Reggae, Dancefloor und Smoothjazz den Soundtrack für entspannte Cabriofahrten lieferte, setzte der Österreicher Louie Austen mit "Da Family" auf ein erdigeres Konzept. Mit souligen Fenderpiano-Tönen, kraftvoller Leadgitarre und swingenden Sinatra-Einflüssen glaubte man eine Fusion von Brian Ferry und "Steely Dan" zu hören und das brachte dem Zelt-Saisonabschluss eine dicht gefüllte Tanzfläche.
Auch die Veranstalter Martin Kranz und Christoph Drescher können bilanzierend zufrieden sein. Das gelungene, professionelle Zusammenspiel von Technik, Gastronomie, Kultur und Sponsoring setzte Maßstäbe in Thüringer Breiten, und das Veranstaltungs-Angebot löste ein Versprechen bundesdeutscher Strahlkraft im Vergleich zum hochsubventionierten Kunstfest souverän ein. Auch Weimar hat das Zelt im dritten Jahr mit Überzeugung angenommen, was der lokale Besucherstrom und Stadtgespräche beweisen. Manche apostrophieren damit gar das "wahre" Kunstfest und das ist im Hinblick auf elftausend Besucher und fast 90-prozentiger Auslastung eine legitime Wertung.
Aber es bleibt Platz für Visionen. Denn es gab neben Entdeckungen wie den begnadeten Surrealisten Rainald Grebe oder den boshaft-brillanten Witz eines Andreas Rebers auch Schwachstellen, wie die biedere Nina Petri. Auch bewährte Kleinkunst-Stars können sich bei unkreativer Wiederholung abnutzen, eine Gefahr, der sich die Veranstalter stellen müssen. Wünschenswert wäre vor allem eine gewichtigere Präsenz im mitteldeutschen Fernsehen, denn mit ähnlichen Pfunden ("Mitternachtsspitzen", "Ottis Schlachthof") wuchern andere Sender seit Jahren erfolgreich. Fazit: ein gelungenes, etabliertes und zukunftsfähiges Festival mit kreativen Reserven.


4. Juli 2005

Abschlussklasse

Der Festsaal der Weimarer Musikhochschule war am Sonntagabend Schauplatz der achten Jazznacht. Man hatte sich bemüht, das sterile Ambiente mit Scheinwerfern zu lockern, aber der Ort scheint für solcherart Musik zu akademisch. Im Gegensatz zur gelungenen Vorjahresausgabe zeigte diese Jazznacht vorrangig mäßiges Niveau, allenfalls gab es vor dem Hauptakt solistische Entdeckungen. Drei Hochschulformationen mit unterschiedlicher stilistischer Prägung eröffneten den Konzertreigen und boten dem Gitarristen Michael Behm und Tenorsaxophonisten Nils Alf Gelegenheit virtuose Ansätze zu präsentieren. Ansonsten dominierte konzeptionelle Blässe und gutes Handwerk.
"Das Projekt" - eine Zusammenarbeit von visuellen Gestaltern der Bauhaus-Universität und einem Jazztrio, federführend verantwortet von HfM-Studentin Josephine Paschke erwies sich als Flop des Abends. Trotz des lobenswerten Ansatzes neuer Formfindung, kreativer Zuarbeit des DJs Mario Weise und intensiver Saxophonmeditation (wiederum überzeugend: Nils Alf) war die Fusion von Bild und Ton überambitioniert, quälend nervig und völlig unverständlich, sodass nicht mal die kollegiale Solidarität der Musikstudenten ausreichenden Applaus garantierte. Dafür konnte der nachfolgende Höhepunkt mehr als versöhnen. Der umtriebige Prof. Bernhard Mergner hatte den amerikanischen Gitarristen Pat Metheny für seine Bigband entdeckt. Die Publikums-Begeisterung resultierte sowohl aus Methenys intelligenten Kompositionen als auch der Art, wie die Hochschulbigband diese sowohl rhythmisch als auch harmonisch höchst anspruchsvollen Arrangements Robert Curnows bewältigte. Schon das anfängliche "Have you heard" bewies die Potenz des Ensembles, das auch bei dem latinoinspirierten "Minuano" mit ständigen Strukturwechseln nicht aus den unterschiedlichen Takten kam. Solistisch glänzte hier Gitarrist Andreas Pfeiffer und Julia Seifert am Altsaxophon. Entdeckung war Schlagzeugerin Karoline Körbel, welche mit großer Sensibilität und spielerischer Leichtigkeit den komplizierten Rhythmuspart bewältigte. Für diesen faszinierenden Abschluss ein großes Bravo und die Anregung, dieses Bigbandhighlight nicht bei einmaliger Aufführung zu belassen.



3. Juli 2005

Monumentale Erinnerung

Für ein Crossover-Konzert war der Musikgymnasiums- Saal in Belvedere zur samstäglichen Mittagsstunde reichlich besetzt. Die Anziehungskraft des Gitarristen Greg Lake, Teil des legendären Artrock-Trios "Emerson, Lake & Palmer" ist ungebrochen, ist er doch ein Musikstar, welcher erstmals die Klassik für den Rock adaptierte. Lakes aktuelles Bandquintett präsentierte mit einem sechzehnköpfigen Ensemble der Weimarer Musikhochschule das Ergebnis eines Workshops zum Thema Adaption. Liszts vierzehnte ungarische Rhapsodie bot mit kontrastierenden Motiven ein nahe liegendes Bearbeitungsfeld, die originale Klavierfassung, ausdrucksstark dargeboten von HfM-Studentin Friederike Schütz, eröffnete das Kurzkonzert. Die Adaption erwies sich als druckvoll und voraussehbar. Im authentischen Stil der Siebziger geriet das magyarische Hauptthema zum bombastischen Schwerpunkt, der Csardas wurde funkig arrangiert. Die klassische Zusatz-Besetzung verstärkte hingebungsvoll das rockhistorische Konzept. Bei erkennbarem Original wurde nichts harmonisch oder rhythmisch aufregend hinterfragt, blieb ein Erinnerungswert an Bühnenpathos und handgemachte Größe. Folgerichtig schlossen sich drei Oldies an: der balladeske "Lucky man", die stürmische Copland-Hymne "Fanfare for the Common Man", wiederum von den Hochschulmusikern als Vokalbackground und instrumental zeittypisch ergänzt, und das Bandsolo "Court of the Crimson King". Keyboarder und Arrangeur David Arch ist nur im Duktus ein Keith Emerson, mehr musische Kreativität wäre wünschenswert. Insgesamt mitreißende Rockgeschichte plus Authentizitätswert, die im nächsten Jahr in Workshopform fortgesetzt werden soll, und den starken fachmännischen Applaus durchaus verdiente. Trotzdem schade, wenn Helden stehen bleiben.



1. Juli 2005

Intellektuelles Vaudeville

Zugegeben: der Humor des Kölner Männertrios ist nicht jedermanns Geschmack. Man muss sich einlassen auf diese leisen, genau pointierten Töne, auf diese Sanftheit mit Anarcho-Potential und keinen herkunftstypischen Karnevalismus erwarten. Dann allerdings ist "Ars Vitalis" ungehemmt zu genießen. Seit einem Vierteljahrhundert verbreiten die drei gereiften Herren auf den Bühnen des Landes ihren faszinierenden Nonsens, das Spiegelzelt präsentierte sie am Donnerstagabend vor ausverkauftem Haus das erste Mal in östlichen Gefilden.
Klaus Huber, Peter Wilmanns und Buddy Sacher zelebrieren in ihrem präzise organisierten Jubiläumsprogramm einen dadaistischen Multiinstrumentalismus ohne stilistische Grenzen zwischen klassischer Gitarrenmusik, französischem Gassenhauer, Countryhit und Barjazz. Das intellektuelle Vaudeville ist ob seiner kaum vergleichbaren Eigenständigkeit kaum fasslich zu beschreiben. Humoristische Assoziationen und dadaistischer Wortwitz paaren sich mit brillanten Jazzimprovisationen. Das Trio lebt zudem vom Charisma der Akteure, die auch sängerisch überzeugen. Der Schwerpunkt des Programms liegt im Skurril-Instrumentalen, etwa wenn Klaus Huber mit Handfegern die Schlagzeugbesen ersetzt oder Peter Wilmanns seine Bassklarinette am Saxophonband befestigt. Intelligente Einfälle en masse sehr professionell dargeboten, machen "Ars Vitalis" zu einem außergewöhnlichen Gesamtkunstwerk, welches allerdings ob der minimalen Lautstärke das große Spiegelzelt stellenweise überforderte. Der absichtsvoll missglückten Schlusspyramide mit Schlappen folgten noch drei begeistert erklatschte musikalische Zugaben. Fazit: eine spannende, witzige und faszinierende Facette im Spiegelzeltreigen.


27. Juni 2005

Mondän langweilig

Ihre Botschaft heißt Wirkung, und dementsprechend verschleißt sich ihr Chanson-Programm. Der Sonntagabend mit Cora Frost füllte das Weimarer "Spiegelzelt" reichlich mit Fans und Neugierigen. Die Berliner Diseuse war mit dreiköpfiger Band angereist, um ihr aktuelles Programm "Zucker und Butter" zu präsentieren.
Punkige Rocktöne sowie Anleihen aus türkischen und afrikanischen Gefilden vermischen sich mit rauchigen Jazz und dem Sound der "Neuen deutschen Welle". Ein bisschen klingt es wie "Ideal", wenn Gary Schmalzl seine E-Gitarre versiert bedient. Keyboarder Florian Grupp versteht es ausgezeichnet, spröde und orchestrale Sounds unaufdringlich zu servieren und Schlagzeuger Toni Nissl wirkt enervierend im Hintergrund. Doch Frontfrau Cora Frost ist keine Nina Hagen, auch wenn sie versucht, dem Duktus der Diva nahezukommen. Dazu reicht ihr vokales Können nicht aus, es bleibt bei Andeutungen von Stimmgewalt und überspannter Selbstinszenierung. Bei der durchaus ernsthaften Formensuche gelingen spannende Momente, etwa wenn sie das Glück versucht zu fassen, mit dem Schlagzeuger synchron zu "Quizas" tanzt oder von der Popette Betancor die bittere Ballade von der "Bösen Edith" interpretiert. Zu den Höhepunkten des Abends zählen das Cover von George Harrisons "While my guitar gently weeps" und die sarkastische Version eines Hits von Manu Chao ("Schade, schade"). Leider dominieren ansonsten ihre oberflächlichen Texte; langweilige Beschreibungen innerer Leere, die lediglich mondän dargestellt werden. Das kann auch die gekonnte Mehrsprachigkeit nicht kaschieren, es bleibt der fade Nachgeschmack einer Privatinszenierung eines gewollten Stars. Trotzdem freundlicher Applaus und keine überraschenden Zugaben.



14. Juni 2005

Lyrischer Gourmet

Auch der schärfste Satiriker und "taz"-Kolumnist hat selbstverständlich eine lyrische Seite. Wer allerdings bei Wiglaf Drostes neuem Gedichtband "Nutzt gar nichts, es ist Liebe" sanften Seelentrost erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Drostes Stilmittel ist der Sprachwitz, und mit seinen schelmischen Reimen ist er in der Nachbarschaft Robert Gernhardts, Christian Morgensterns, Kurt Tucholskys oder Erich Kästners durchaus gleichrangig anzusiedeln. Die Liebesgedichte, welche die insgesamt acht Themenkreise eröffnen, sind die warmherzigen Erklärungen eines vollendeten Sinnengourmets. In den restlichen Kapiteln geißelt er dann wieder genüsslich seine Zeitgenossen. Ökologische, religiöse und politische Hardliner werden herrlich inkorrekt karikiert, zwischendurch gibt es immer wieder kleine Wortspiele und Blödeleien. Auch Kollegen der schreibenden Zunft erfahren seine Häme und Verehrung und ab und zu verzweifelt Droste an der Schöpfung, wie beispielsweise dem Ententanz. Insgesamt keine Gedichte für die Ewigkeit, aber für eine kritische und genussreiche Gegenwart. Heute Abend kann man den charismatischen Wiglaf Droste live im Spiegelzelt mit seinem "Spardosenterzett" erleben, ansonsten sei der Gedichtband nicht nur Feinschmeckern anempfohlen.


Wiglaf Droste "Nutzt gar nichts, es ist Liebe" Reclam 2005 ISBN 3-379-00839-7 Preis: 12,90 €


13. Juni 2005

Frischer Evergreen

Das immergrüne Andersen-Märchen "Des Kaisers neue Kleider" bot einen jubiläumsverbundenen Spielanlass für den Weimarer DNT-Theaterjugendclub. Erfrischend, witzig und mit aktuellen Zeitbezügen präsentierte das engagierte Ensemble am Sonntagabend eine mitreißende Premiere vor ausverkauftem Foyer des Stammhauses. Die Adaption des Märchenklassikers konzentriert sich vor allem auf den skurrilen Hofstaat und seine Verlogenheit. Mit leichten Sprachfehlern werden Zugehörigkeiten unterstrichen und eine Kleidermotte (herrlich blödelnd: Rebekka Rinecker) agiert gleichzeitig als Off-Erzählerin. Der Charme der Inszenierung speist sich vor allem aus dem intelligenten Regiekonstrukt, der fantasievollen Kostümauswahl (Sandra Zänker) und der ungebremsten Spielfreude der Akteure. Christian Hofmann hat als eitler Kaiser den Hauptpart, und bewältigt diesen komplizierten Part zwischen Naivität, berechnender Bösartigkeit und stilisierter Dummheit mit Bravour. Die personifizierte kaiserliche Unterhose (Sabine Thiel) überzeugt mit spielerischer Ursprünglichkeit, während der intrigante Kanzler (Martin Bertram) schon fast professionell agiert. Kleine Schwächen bei der Textverständlichkeit und die etwas biedere Musikauswahl trennen den Berufs- und Laienstatus, aber schmälern die Faszination kaum. Das gesamte Ensemble geht schlüssig in diesem linear erzählten, hintergründigen Possenspiel auf und bereichert damit den Spielplan des Hauses mit Elan und Fantasie. Fazit : eine geistreiche und spritzige Klassikerehrung auf hohem Amateurniveau.


11. Juni 2005

Lauter Schlaflieder

Der untersetzte Mann setzt sich an den Konzerflügel, arpeggiert einige Akkorde und intoniert wenig später mit leiser Falsettstimme. Es gibt keine spannende Harmonik wie bei Didier Sqiban, dafür viel Melancholie und Innigkeit. Ein wenig erinnert Wim Mertens mit seinem Konzertabend "Un Respiro" an französische Musette, Michael Nymans musikalischen Puritanismus und späte Gregorianik. Eine kraftvolle Schwermut füllt das ausverkaufte Spiegelzelt am Samstagabend, eine Sommerabendromantik der Verlorenheit, passend zu menschenleeren Stränden und vergessenen Liebschaften. Das stimmungsvolle Lichtdesign von Citronella tut ein Übriges dazu.
Der 1953 in Neerpelt geborene Belgier ist kein Freund der Worte, sein Falsettgesang bedient sich entweder im Französischen oder einer Fantasiesprache und Conferencen erwartet man bei ihm vergeblich. Aber man vermisst sie auch nicht. Bekannt wurde der Pianist, Sänger und Komponist mit seinem Soundtrack zu Greenaways "Bauch des Architekten", seitdem ist die melodiöse Elegie sein Markenzeichen
Manchmal wirkt Mertens pedallastiges Klavierspiel etwas eintönig, das liegt an vielen ähnlichen dramaturgischen Auffassungen seiner Kompositionen und wiederholten Akkordfolgen im eingängigen tonalen Spektrum. Ein eher unspektakulärer Klavier- und Gesangsabend, sentimental und freundlich. Ebenso freundlich der Applaus. Trotzdem viele Zugaben.


8. Juni 2005

Gemeinsamer Nenner

Als Kind hat man ihn nach eigenem Bekunden wegen Figur und Aussehen verspottet. Jetzt füllt Gustav Peter Wöhler Säle und auch das Weimarer Spiegelzelt am Dienstagabend bis auf den letzten Platz, und die Leute jubeln ihm zu.
Vielleicht lieben sie ihn deshalb, wegen dieser Unbedingtheit, mit der dieser dickliche kleine Schauspieler den Rock- und Popstar mit dem Mut zur Körperlichkeit mimt. Auch wenn die Komik, die dabei entsteht, auf seine Kosten geht.
Wöhler singt Oldies und Popsongs der gehobenen Klasse. Zwischen Cindy Lauper und Holly Cole, den "Temptations" und den "Kinks", lässt er kaum einen Hit aus, den er mit seinem rührigen Trio im Hintergrund be- und verarbeitet und für seine Zwecke anpasst. Der Reiz des Konzerts liegt eher in der klugen Auswahl und den eingängigen Arrangements als der durchschnittlichen sängerischen Leistung. Wöhler findet mit seinem Publikum einen gemeinsamen Nenner, ein Forum für Wegwerffeuerzeuge und lyrische Erinnerungen. Er borgt sich erotische Bühnen-Identitäten, und karikiert sie lustvoll aus, kokettiert mit seinem Alter (50), mimt die Rampensau mit Hingabe, und wird dafür vom Auditorium reichlich entlohnt.
Gitarrist Hardy Kayser, Olaf Casimir (Kontrabass) und Kai Fischer an Klavier und Keyboard bieten solide Handarbeit, und fühlen sich vor allem in Reggae- und Countrygefilden wohl. Sparsam und effektvoll instrumentieren sie Steve Millers "Joker" oder Cashs "Ring of fire", nah am Original, aber dennoch originell. Bei der abschließenden deutschen Gaynor-Adaption von Dunja Rajter "Ich überleb's" geht auch Wöhler stimmlich aus der Reserve; es ist sein Eigenes, was er da heraussingt, und er erntet stehende Ovationen. Ob sich allerdings im Zugabeteil Rio Reisers "Julimond" als Mitklatschnummer eignet, sei dahingestellt, Wöhler setzt mit "Stones" - und "Beatles"-Versionen bereitwillig noch einen drauf. Insgesamt gute Unterhaltung aber kein Kult. Karten gibt es heute Abend trotzdem nicht mehr.


6. Juni 2005

Doppelbödig

Da Andreas Rebers in Thüringen trotz höchster "Scheibenwischer"-Weihen immer noch als kabarettistischer Geheimtipp gilt, konnte er das sonntägliche Spiegelzelt zwar nicht restlos füllen, aber dennoch gekonnt erobern. Dabei führt er sein Publikum auf schwankendes Terrain, denn der elegante Plauderer aus Braunschweig fischt über längere Zeit in fast karnevalistischen Gewässern bis er unerwartet scharfe politische Pointen serviert. Rebers Stilmittel ist die scheinbare Beiläufigkeit, er meidet genreklassische Rollenspiele und gesellschaftliche Konsens-Korrektheiten. Er gibt den westfälischen Lehrer und Hausmeister, der in die Münchner Schickeria ("dem Dubai der Deutschen") eingeheiratet hat, mit täuschender Authentizität. Seine Kunstfigur stattet er mit skurriler Weltsicht und einem latenten Rassismus aus, der sich mit bürgerlichem Ordnungssinn tarnt. Frau Hammer, die alternative Workshopleiterin im Hinterhaus ist bevorzugtes Opfer seiner peniblen Attacken. Falschparker, die er zu den "dachtenden" statt denkenden Menschen ordnet, werden ebenso wie die Inderin Frau Sasahara (deren Karmapunkt auf der Stirn nach seiner Auffassung eine Reset-Taste darstellt) zum lustvollen Angriffziel. Rebers entlarvt subtil und gekonnt völkische Denkweisen, und wenn er den 20. April als islamischen Feiertag in Deutschland vorschlägt, verbindet er subtilen Witz mit befreiender Komik. Denn Blödeln ist auch eine Rebers-Stärke, die er in seinen mit Akkordeon und Flügel gekonnt selbst begleiteten Arbeiterliedern beweist. Da wird der träumende Bademeister und allzu idealistische Lehrer liebevoll karikiert und wenn Rebers als Zugabe eine lispelnde Liebeserklärung macht, kann man sich vor Lachen kaum noch halten. Ein weiterer, hintersinniger und humorvoller Höhepunkt im Spiegelzelt, der sein Publikum intelligent unterhalten und schmunzelnd entlässt.


5. Juni 2005

Traumpaar

Schon der Anfang des Konzerts zeigte Maria João mit der Ballade "Parrots and lions" in Bestform. Ihre Stimme ist so dynamisch wandlungsfähig und intensiv, dass es das fast ausverkaufte Arnstädter Theater am Freitagabend magisch auflädt. Ihr beständiger pianistischer und kompositorischer Partner Mário Laginha zeichnet wieder für das aktuelle und programmdominierende Album "Tralha" verantwortlich, mit dem das Jazz-Traumduo momentan durch Deutschland tourt. Es ist dieses sensible, virtuose musikalische Einverständnis, welches die Beiden in den letzten Jahren konstant an die qualitative Weltspitze katapultiert: diese furiosen Unisonopassagen zwischen Klavier und Stimme, das unbändige gestalterische und improvisatorische Talent der Sängerin und das rhythmisch pulsierende, raffinierte und stilistisch eigen-ständige Akkordspiel des Pianisten.
Das Duo hat aber zudem zwei kongeniale Mitstreiter gefunden, von denen besonders der Schlagzeuger und Percussionist Alexandre Frazao eine entsprechende instrumentale Tonsprache gefunden hat. Das Zusammenspiel mit Laginha wird zum spannenden und intelligenten Zwiegespräch, jede Tastennuance wird von den Trommelstöcken übersetzt. Yuri Souza leistet an Kontra- und Elektrobass pulsierende und kraftvolle Begleitarbeit, und wenn Maria João von Familienarbeit spricht, dann trifft das für ihre Band exemplarisch zu. Natürlich bleibt die Diva Mittelpunkt des Bühnengeschehens, sowohl optisch als auch vokal. Ihrem bunter, ausladender Rock verbirgt nicht die sinnlich tanzenden Füße, jede Geste unterstreicht perfekt ihr außer-gewöhnliches stimmliches Können, welches mit faszinierender atemtechnischer Ökonomie zwischen lyrischem Gesang, perkussiver Lautmalerei und quer durch die Stimmlagen pendelt. Neben Titeln aus ihrer Erfolgs-CD "Chorinho feliz" gab es dann als kurze Zugabe die innige Adaption des Countrysongs "Take me home" aus dem "Undercovers"-Album.
Insgesamt ein Programm mit Weltklasse und der unbestrittene Höhepunkt des 13. Arnstädter Jazzfestes, welcher verdient frenetisch gefeiert wurde.


2. Juni 2005

Lust und Leiden

Benedikt Eichhorn hat es schwer. Er ist im vierten und aktuellen Programm des Erfolgsduos "Pigor & Eichhorn" nicht mehr der Platzhirsch, denn sein Können am Klavier steht jetzt in Konkurrenz zur musikelektronischen Perfektion Ulf Henrichs, der Sänger Thomas Pigor kongenial begleitet. Und dann dieser charismatische Pigor mit seinen schnellen, bissigen deutschsprachigen Salon-Raps, der Eichhorn vor ausverkauftem und jubelndem Spiegelzelt am Mittwochabend nicht solistisch agieren lässt! So bleibt der Pianist bis zum Zugabenteil in skurriler Demut und sorgt mit seinem kompositorischen und spielerischen Part dafür, dass auch dieser Chansonabend zum Erfolg wird.
Der karnevalsfröhliche Auftakt wird zur ersten Groteske, es folgen schwarzhumorige Betrachtungen über Umzugsverhalten, Hypochondrie, Wurstverkäuferinnen und den Tod von Petra Kelly. Pigor, Eichhorn und Henrich testen wieder genussvoll Grenzen aus, hinterfragen ihr Genre ("Verrucht") und entlarven provokant den Umgang mit Nazivergangenheit ("Historische Vergleiche"). Es gibt Wiederbegegnungen mit Höhepunkten des gleicherorts vor einem Jahr gefeierten Gastspiels ("Heidegger", "Hauptbahnhof Paris") und die Lust am Sarkastischen und der konzeptionelle Ideenreichtum des Trios sind ungebrochen.
Manchmal wirkt das Programm durch Henrichs computergestützte Zuarbeit fast etwas zu perfekt, dadurch verliert sich etwas Intensität ("Gehen, bevor es hell wird"), doch das sind Marginalien. Mehrere Zugaben beenden den erfrischenden Spiegelzeltabend, und Eichhorn darf dann doch noch solistisch fliegen. Es steht jedoch bei dieser erfolgreichen Zusammenarbeit noch nicht zu befürchten, dass er sich endgültig selbständig macht. Seine Pigor-Knechtschaft möge dauerhaft bleiben.


30 Mai 2005

Rufus, der Zauberer

Er ist zugleich Anwalt und Zauberer. Wie er drei ausgewählte Geschichten aus John Irvings "Garp" vor sonntäglich ausverkauften Spiegelzelt nur mittels seiner Stimme imaginiert, ist so packend, dass es das Publikum mehr als zwei Stunden fesselt.
Sicher, die Romanvorlage ist natürlich auch ein ergiebiges Fundstück für den Schauspieler und Vorleser Rufus Beck. Hinter seinem schauspielerischen Credo steckt ebenso viel Präzision wie Menschlichkeit, was seine Leseabende zu Sternstunden der Literatur werden lässt. Er ist nicht der nüchtern beobachtende Erzähler, sondern der dramatische Gestalter, der Irvings subtile Ironie punktgenau erfasst, und den Bestseller "Garp" damit auch für die literarischen Kenner zu einer Neuentdeckung macht. Beck fasziniert mit einer jungenhaften Magie, die seinem Erfolgslesewerk "Harry Potter" seelenverwandt scheint. Und er macht es sich und seinem Publikum nicht nur bequem, denn im zweiten Teil des Abends geht er von sarkastischer Spritzigkeit zunächst zu Schonungsloserem über, das sich erst nach atemloser Spannung zu erheiternd Fiktionalem auflöst. Letztlich begeisterter Publikumsapplaus für die Hunde-, Zeugungs- und Vergewaltigungsgeschichte, deswegen wäre sein Plädoyer für gute Hörbücher gar nicht erforderlich gewesen, aber wir leben halt in marktwirtschaftlichen Zeiten. Irving kann sich jedenfalls keinen besseren Anwalt für seine Fabulierkunst wünschen.



29. Mai 2005

Überraschungsei

Über ein Jahr haben sie geprobt, und das Ergebnis ist beeindruckend. Denn die Premiere des Musicals "Honk" am Samstagabend im Arnstädter Theater ist nicht nur eine originelle Huldigung zum Andersen-Jubiläum sondern auch Zeugnis von Zielstrebigkeit und Teamgeist im Amateurlager.
"Honk" ist eine Adaption der Mär von "Hässlichen Entlein" im Gewand eines Broadwaymusicals. Witzige Figurenzeichnungen, menschliche Analogien, eingängige Melodien und hoher musikalischer Schwierigkeitsgrad prägen diese im Jahr 2000 preisgekrönte Produktion von George Stiles und Anthony Drewe, die seitdem die Bühnen der Welt eroberte. Umso beachtlicher, dass sich das Orchester der Musikschule Arnstadt-Ilmenau und das "Junge-Musical-Ensemble Arnstadt" dieser professionellen Anforderung stellten, und bis auf kleine, verzeihliche Schwächen mit Bravour bewältigten. Evelyn Tittelbach-Helmrich hatte den musikalischen Part sensibel eingerichtet und präsentierte das junge Begleitensemble als geschlossenen Klangkörper mit erstaunlichen rhythmischen Finessen und instrumentalem Elan. Adäquat agierten die Sänger mit sichtlicher Spielfreude intonationsreiner Stimmführung. Im Zusammenspiel mit dem Orchester blieb die handlungstragende Textverständlichkeit manchmal auf der Strecke. Das schmälerte aber den positiven Gesamteindruck kaum. Überzeugend vor allem Per Kothe in der Hauptrolle bei den lyrischen Gesangspassagen, Pamela Schmidt als stimmgewaltige Entenmutter sowie Karsten Müller und Constanze Eberhardt als spielerisch dominante Katzencharaktere. Robert Amarell lieferte als Krötenfrosch eine hinreißend komödiantische und vokale Glanznummer. Die konventionelle Regie von Michael Schneider, der zusammen mit Ralph Giese auch für ein multifunktional wandelbares Bühnenbild verantwortlich zeichnete, sowie die sinnfälligen Kostüme von Cornelia Ludwig sorgten für kindgerechte (die vielen Fremdwörter im Libretto ausgenommen) Familienunterhaltung. Insgesamt erwies sich der beherzte Griff zum Musicalstern als künftiges Highlight im Spielplan und wurde am Premierenabend mit stehenden Ovationen verdient gefeiert.


22. Mai 2005

Entdeckerfreude

Unter den osteuropäischen Filmen war der tschechische international am erfolgreichsten, was Produktionen wie "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel", Milos Formans "Amadeus" oder der aktuellere Oscarpreisträger "Kolya" punktuell bestätigen. Dass dieser Status auch gegenwärtig verdient, wenn auch nicht immer prämiert ist, konnte die erste tschechische Filmwoche, welche am Freitagabend im Weimarer "Lichthaus"-Kino eröffnet wurde, eindrucksvoll nachweisen. In Gegenwart des Thüringer Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten Gerald Wucherpfennig, und dem tschechischen Generalkonsul Milan Dufek schritt man nach dem üblichen Austausch von Artigkeiten zum praktischen Beispiel mit Petr Zelenkas "Das Jahr des Teufels". Der Film, welcher im Ursprungsland vor drei Jahren als bester seiner Art gekürt wurde, bot in einer Mischung aus Dokumentation, Mystik und intelligenter Medienschelte Qualität von Weltrang, welche großen Namen wie Lars von Trier oder Gus van Sant in nichts nachsteht. Die fiktive Bandbiografie mit surrealen Elementen erinnerte stark an die amerikanischen Independents und entwickelte seinen fesselnden Charme vor Allem durch leisen Humor und hohe Authentizität der Erzählweise. Damit war dieser Eröffnungsfilm nach Aussage des jungen tschechischen Filmwissenschaftlers Martin Svoma auch typisch für die aktuelle Szene, welche trotz unzureichender materieller Unterstützung immer wieder Originalität und gute Drehbücher entwickelt. "Die Rückkehr des Idioten" welcher durch den Einfluss der Museumsnacht im Gegensatz zum Vortag den "Lichthaus"-Saal nicht vollständig füllte, war eine etwas melancholische, in postsozialistischer Tristesse angesiedelte Dostojewski- Adaption, welche ihren Charme vor allem durch die schauspielerische Intensität von Pavel Liska in der Hauptrolle bezog. Insgesamt zwei spannende cineastische Entdeckungen, den in den nächsten Tagen in Thüringen sicher noch weitere folgen. Und damit auch die Erkenntnis, dass der Kosmos von Cannes und Hollywood längst nicht alle internationalen Lichtpunkte erfasst.


16. Mai 2005

Kluge Stimme

Er hätte sicherlich mehr Publikum im freitagabendlichen Seebach-Forum im Weimar verdient, doch dessen ungeachtet bot der Mime einen feinsinnigen poetischen Genuss. Denn Volker Lechtenbrink ist kein Serienheld ("Ein Fall für Zwei", "Küstenwache") sondern ein erfahrener Vollblutschauspieler, der seine unverwechselbare Stimme nicht nur synchron Kris Kristofferson leiht, sondern sie auch in der Hochliteratur intelligent einzusetzen weiß. Mit "Der glückliche Prinz" von Oscar Wilde eröffnete er den Abend passend zu Pfingsten mit lyrischer, christlicher Botschaft und fesselte vor allem durch die sanfte Figurenzeichnung. Lechtenbrink ist kein Mann der großen, pathetischen Geste, eher der stille Bühnenarbeiter mit Gespür für Situationskomik und feine Nuancierungen. Das bewies er auch bei der Interpretation verschiedener Erich-Kästner-Gedichte, wie beispielsweise dem "Hotelsolo für eine Männerstimme" oder "Stehgeigers Leiden". Den begeisternden Abschluss der intelligenten Leseauswahl bildete Wolfgang Borcherts doppelbödige Humoreske "Schischyphusch - Der Kellner meines Onkels", ein Paradestück für den sympathischen Hamburger und Intendanten des "Ernst-Deutsch-Theaters". Wer so charismatisch und herzhaft auf der Bühne agiert, bei dem ist eben auch ein Theater in guten Händen...


12. Mai 2005

Grandios authentisch

Das Festival "Räuber und Gendarm" beschäftigt nicht nur das Weimarer Theaterhaus an diversen Utopiebaustellen, sondern stellt mit der Konzertlinie "Idealismus live!" junge Musiker mit Performance-Elementen vor. Den grandiosen Auftakt gab am Mittwochabend im Weimarer Straßenbahndepot der frankokanadische Pianist Gonzales. Erfahrungen sammelte er zunächst im Elektropop und Hiphop, scheint aber im Klaviersolo seine wahre Berufung gefunden zu haben. Gonzales ist kein brillanter Techniker, und seine Kompositionen bieten keine aufregenden harmonischen Neuigkeiten. Angesiedelt zwischen Erik Satie, musikalischer Romantik, Yann Tiersen ("Good bye Lenin", "Amelie") und Blues entwickelt er aber mit seinen Improvisationen eine einzigartige Intensität, welche die Zuhörer im restlos ausverkauften Saal sofort in den Bann zog. Das liegt an Gonzales selbstironischer Art bekannte Standards wie "Over the rainbow" übertrieben expressiv zu interpretieren, seinen eingängigen und akkordisch originell untersetzten Balladen und dem bezwingenden Talent als Entertainer. Mal klingt es wie ein wuchtiger Rachmaninoff, mal verfremdet er bekannte Popsongs in Minimal Art. Sein feinsinniger Humor teilt sich über effektvolle Arpeggien und subtile Dynamik mit. Respektlos setzt er Beethovens "Freuden-Ode" in Moll, lässt sich vom Publikum bei kraftvollem Blues ostinat vokal begleiten und karikiert gekonnt das Klischee des Konzertpianisten. Unterstützt wurde das Programm von einer sinnfälligen Videoperformance Nina Rohdes, die auf großer Leinwand Tastatur und Spiel projizierte; eine Idee, die bei Klavierkonzerten durchaus Schule machen könnte. Drei Zugaben, darunter eine Zusammenfassung des Abends in Kurzform und ein skurriler Ausflug in die Popwelt zwischen Michael Sembellos "Maniac" und den "Bee Gees" beendeten das frenetisch gefeierte Soloprogramm. Fazit: ein authentisches Kleinkunst-Highlight.


6. Mai 2005

Fatales Geschenk

Die Weimarer Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus ist aus folgenden Gründen überflüssig geworden: Die Jung- und Altnazis haben ihrer Ideologie abgeschworen und sich in einem feierlichen Gelöbnis verpflichtet, nie wieder demonstrierend Weimarer Boden zu betreten. In Thüringer Kinderzimmern sind Hakenkreuze für immer verbannt, alle hier lebenden Ausländer gehen unbelästigt und unverprügelt durch die Städte. Geläuterte Deutschnationale verpflichten sich freiwillig zur Pflege der ehemaligen Konzentrationslager und erläutern den Besuchern ohne Leugnungen die Verbrechen des Naziregimes. Es gibt keine rechtsradikalen Parteien in deutschen Parlamenten und die bundesdeutsche Vergangenheitsaufarbeitung wird von der UNESCO als vorbildlich eingestuft. Der Verkauf von Nazireliquien auf diversen Flohmärkten interessiert nur noch Historiker zwecks musealer Verwendung, Hass-Drohungen im Web sind verschwunden, kein Hitlergruß wird gesichtet, keine national-befreite Zone festgesteckt.
Ende des Märchens.
Der von CDU und Weimarwerk erzwungene Stadtratsbeschluss, die Gelder für die Netzwerkstelle gegen Rechts umzuwidmen, ist eines der fatalsten Signale, die in den letzten Jahren gegeben wurden. Ob nun aus Profilierungssucht, persönlicher Befindlichkeit oder Machtstreben erwachsen: hier geht es eigentlich um die Entfernung eines unbequemen, intelligenten Streiters namens Fritz Burschel. Und diesem Zweck sind den beschluss-verantwortlichen Politikern alle Mittel recht. Den rechtsnationalen Totalitätern, welche die Demokratie vor sich hertreiben, und Weimars Erbe zu ihren Zwecken umdefinieren wollen, setzen einige lokale Machtvertreter blauäugige Visionen und instinktlose interne Kraftspiele entgegen, und verprellen damit jene, die sich aktiv gegen Demokratiebedrohung zur Wehr setzen.
In der Presse wird lanciert, dass Burschel ein linker Polarisierer sei. Ja, was wollen wir denn? Brauchen wir denn eher so ein stilles, stromlinienförmiges Weichei, welches sich durch parteipolitische Sonntagsreden instrumentalisieren lässt?
Wer Fritz Burschel bei den bunten Demonstrationen erlebt hat, und nicht aus kleinlichen Beweggründen ebenso demonstrativ bei diesen politischen Willensbekundungen ferngeblieben ist, der sollte eigentlich festgestellt haben, dass der kompakte Bayer eine gewichtige Bereicherung der Stadt darstellt. Humorvoll, bedacht und aktuell informiert, engagiert sowie mit einer überlebenswichtigen Portion Schlitzohrigkeit ausgestattet, ist er für mich der richtige Mann am richtigen Platz. Und wenn er mal poltern sollte, dann tut er das nicht aus Machtgründen, (wie beispielsweise ein spendenfreudiger Härtereivorsteher, der seine Parteischäfchen nicht in den Gremien sieht, die er sich vorstellt), sondern er tut es um der Sache willen. Wenn Weimars Streitkultur Burschel nicht aushält, dann ist sie keine. Und wenn man denn parteipolitisches Entsorgen billigen würde, dann gäbe es doch wohl eine Menge gutdotierter Kandidaten, die wegen Untätigkeit, Nachlässigkeit und Taktiererei auf ihren Posten entbehrlicher wären.
Sollte Fritz Burschel ein weiteres Weimarer Machtpoker-Opfer werden, wäre das ein Geschenk an die Rechten. Und das haben sie wirklich nicht verdient.


29. April 2005

Bigbandhimmel

Das Beste zum Schluss, denn die Vergleichs-Latte hing bei der Trilogie mit jungen Bigbands mit dem EBU European Youth Orchestra in faszinierender Höhe. Unter Leitung der kanadischen Jazz-Altmeister Vic Vogel boten die sechzehn jungen europäischen Stars derart atemberaubende Qualität, das es das Publikum im eher nüchternen Ambiente des Fürstenhauses kaum auf den Sitzen hielt. Das lag nicht nur an der exzellenten Stückwahl aus der Wellt des Swing, sondern auch an der furiosen, aber trotzdem professionell kontrollierten Spielfreude des Ensembles. Vic Vogel erwies sich dabei nicht nur als fre
undlicher Unterhalter, sondern als ebenso stilsicherer Arrangeur und intelligenter Pädagoge, der seine Zöglinge souverän und präzise zu Höchstleistungen anstachelte. Aus der Vielzahl überzeugender Solisten wären stellvertretend der lettische Posaunist Intars Busulis mit einer hinreißenden Gesangseinlage und der finnische Alt-Saxophonist Ari Jokelainen mit bezwingenden und virtuosen Chorussen zu nennen. Während der erste Konzertteil Swinggrößen wie Duke Ellington huldigte und in einer Kurzform etwas beliebigen erzählend und musikalisch illustrierend Andersens "hässliches junges Entlein" interpretierte, ging es nach der Pause um eine Hommage an Oscar Peterson. Dessen Kompositionen zählen nicht nur für Pianisten zur Meisterklasse, sondern verlangen einer Bigband sowohl Vielfalt, als auch Sensibilität ab. Vorgaben, welche das EBU brillant meisterte und damit manch altgedienten Profi sicher aus der Reserve locken konnte. Besonders Pianist Peter Rosendahl wandelte so souverän und technisch ausgereift auf den Spuren des Stars, ("Requiem", "Oscar's Boogie") dass er den begeisterten Applaus mehr als verdient hatte. Fazit: Ein furioser Abschluss der kleinen Musikreihe und ein Stück Bigbandhimmel inklusive.



28. April 2005

Klosterfreuden

Anfang September diesen Jahres wird die Klosterruine Paulinazella mit einem frischen neuen Programmangebot aus klassischem Dornröschenschlaf geweckt. Das erste "Kulturfestival", federführend verantwortet vom Leiter der rührigen Weimarer Agentur "Kulturspion" Jürgen Schneider (nein, nicht der Baulöwe!) will an vier Abenden Unterhaltung auf gehobenem Niveau aus der Kleinkunstszene bieten. Im Vergleich zum erfolgreichen "Spiegelzelt" setzt man hier aber mehr auf lokale Qualität in Verbindung mit Zugnummern. Den Auftakt gibt Grimme-Preisträger Uwe Steimle, der sich sowohl im Fernsehen bei "Polizeiruf 110" als auch als scharfzüngiger Kabarettist etablierte, und mit "Uns fragt ja keener" pointierte Spielszenen aus seinem aktuellen Buch vorstellen wird. Ihm folgt am 2. September Olaf Schubert mit seinem Programm "Boykott" (TA berichtete). Der selbsternannte Betroffenheitslyriker hat einen derart umwerfend komischen Personalstil entwickelt, dass man bei seinen skurrilen Formulierungen zwangsweise sein Zwerchfell massiert. Das Salonorchester Weimar mit dem charismatischen Leadsänger Boris Raderschatt entführt am Folgeabend in die Schlagerwelt Heinz Rühmanns. Das preisgekrönte Programm brachte nicht nur die Jenaer Kulturarena zum Schwingen und Tanzen, sondern heimst bundesweit begeistertes Publikum ein. Der Abend wird von einer Party mit der Köstritzer Jazzband ergänzt. Zum Abschluss wird am 4. September das renommierte Vokalquartett "yellow and green" mit "Du bist'n Star" seine humorvolle Absage an den Castingwahn vorstellen. Ein insgesamt bestechendes Angebot in romantischer Kulisse mit Option der jährlichen Wiederkehr, sowie ein kultureller Gewinn für Thüringen, dem nur das Schlechtwetter-Risiko gegenübersteht.


25. April 2005

Kurz und witzig

Jeanne Pelissier, Absolventin der Bauhaus-Universität verwirklichte ihre Vision, ein Kurzfilmfestival aus ihrer Heimat Frankreich in Weimar zu etablieren. Sie schenkte damit dem veranstaltenden "Lichthaus" nicht nur ein originelles Präsent zum zweiten Kinogeburtstag sondern bescherte dem zahlreichen, vorwiegend studentischen Publikum an drei Tagen einen aufregenden Kinomix mit Witz, Vielfalt und Anspruch.
"Très Courts" bedeutet "sehr kurz", und so durften die von einer französischen Jury erkürten 49 Filme nicht länger als drei Minuten sein. In weltweit über 80 Städten wurde die Auswahl in ihrer mittlerweile siebenten Edition zeitgleich vorgeführt, um mittels internationalen Publikumentscheides in den nächsten Tagen die Sieger zu küren. Zuvor gab es eine lokale Auswahl mit dreizehn Beiträgen, die mit dem Wettbewerb durchaus konkurrieren konnten, aber nicht bewertet wurden. Christian Sturm sorgte mit seinen Animationen eines Schneckenalltags und der filmisch augenzwinkernden Entsorgung des Kubus sowohl für Tagesaktualität als auch Erheiterung. Originell auch die Erkundung eines Körpers mit Makroaufnahmen in Frauke Ronnebergers Exkurs "Human room", während technisch perfekte aber sinnleere Experimente wie "Freeform" von Sebastian Gerbert" oder "Rosa" von Michelle Rowbotham eher die Bildschirmschonerfraktion bedienten. Dagegen konnten die Wettbewerbsbeiträge wirklich durchgehend überzeugen und machten das Publikumsvoting im positivsten Sinne nicht einfach. In verschiedensten Bild- und Erzählsprachen, von der Dokumentation der Wurstherstellung ("Jurons et charcuteries") über pädagogisch gelungene politische Auseinandersetzungen ("Play war", "Bush") bis zu schwarzhumorigen Clips über Eskalationen beim Gruppenspiel ("Mot compte double", "Crepe suzette"), und fantasievollen Animationen wie der "Amèlie-Welt als Pinguin oder verstörten Kühen ("Agricultural report", "Ave") einte die Kurzbeiträge vorwiegend Perfektion und überzeugender Witz. Insgesamt eine amüsante Kurzweil und qualitativ beeindruckende Bestandsaufnahme, die auch in ihrer nächsten Ausgabe in Weimar hochwillkommen sein sollte.


19. April 2005

Unbeachteter Jahrestag

Sicher, man könnte auch dem Sender die Schuld anlasten. Immerhin gab es anlässlich seines ersten Geburtstags keine Presseeinladungen, aber das gerade in diesen wirtschaftlichen Zeiten so beachtenswerte Jubiläum wurde zumindest über den Bildschirm rechtzeitig bekannt gegeben. Die Rede ist von SALVE-TV, dem lokalen Fernsehsender, der seit 365 Tagen von den beiden Weimarer Tageszeitungen so auffällig ignoriert wird, dass man an dem journalistischen Verhalten der Blätter glatt verzweifeln möchte. Deswegen auch kein gedrucktes Wort zum ersten Geburtstag, da räkelt dann lieber Nike Wagner mit Gräfin auf Müllsofas und verkündet, Weimar erotischer machen zu wollen. Mit fast zwei Millionen Euro Steuergeldern ist das ein fragwürdiges Ansinnen, zumal diese Aufgabe von SALVE schon längst ohne solch horrende Unterstützung angegangen wurde.
Sendeschleifen können furchtbar nervig sein, im Falle von SALVE sind sie das kaum. Denn für das Sendegebiet um Weimar und Apolda ist hier ein unterhaltsames, gewichtiges und authentisches Sprachrohr geschaffen worden, welches eingedenk der knappen Mittel ein Qualitätsfernsehen liefert, welches durchaus mit der öffentlich-rechtlich regionalen Übermacht konkurrieren kann. Und die stündlichen Wiederholungen ermöglichen zudem Information zur gewünschten Zeit.
Die klare Sendestruktur erlaubt verlässliche Orientierung, das neue Erscheinungsbild, eingeführt zum ersten Geburtstag ist aufgeräumter und noch ansprechender. Formate wie die wunderbar hintersinnige "Alexandra" oder "Salvetournee" liefern oftmals präzise Einblicke ins Zeitgeschehen und spiegeln lokale Befindlichkeiten durch Umfragen und vertiefende Gespräche. Das informative Regionalmagazin hat mit Lena Liberta und Antje Genth-Wagner zwei versierte Moderatorinnen etabliert. Gesprächspartner werden ernst genommen, Künstler-Porträts wie beispielsweise von Peter Vent, Reinhard Herb oder kürzlich Serdar Somuncu sind sensible Zeitzeugnisse, die oft auch Überraschendes zu Tage fördern.
Da SALVE nicht gebührenfinanziert, sondern von Werbung lebt, ist diese fester Programmbestand. Auch hier ist das deutliche Bemühen von Anspruch und Stil zu spüren, es gibt viele gelungene Beispiele für Qualität trotz geringem Etat. SALVE hat sich den Glückwunsch mehr als verdient, einen Medienpreis hat es ja schon gegeben. Das Gros der Empfänger schätzt die unmittelbare Berichterstattung und den lockeren Humor. Zwar sind noch nicht alle Format-Träume gereift, manche Neu-Moderatorin bedürfte besserer Vorbereitung und zudem kann SALVE die Spaltung in eine lokale Zwei-Klassen-Gesellschaft nicht verhindern: die "Kabellosen" wissen noch nicht, was ihnen entgeht. Zumal ihnen diese Erkenntnis durch die anfangs erwähnte Blockadehaltung der Tageszeitungen immer noch vorenthalten wird. Aber es gibt ja sicherlich einen zweiten Geburtstag...


6. April 2005

Käsekrampf

"Pinguine können keinen Käsekuchen backen" heißt das Stück von Ulrich Hub für Kinder ab fünf Jahren, und das wusste man vorher.
Regisseur Roland Bertschi kann nicht inszenieren. Zumindest nicht dieses Stück. Das wusste man vorher nicht.
Kinder sind im Theater schwer zu ärgern, und selten zu langweilen. Zu stark ist das Faszinosum von Schauspiel, Licht und Requisite. Aber man kann sie mit übersteigerten Regieambitionen ratlos machen, und das ist bei der Premiere am Mittwochvormittag unbeabsichtigt gelungen. Zu künstelnd hangelt sich das Konglomerat aus Slapstick und verworrenen Handlungslinien einstündig ab und lässt kaum Möglichkeit zur Interaktion. Da kann sich das Quartett mit Bernd Lange, Christoph Heckel, Ulrike Knobloch und Roswitha Marks zwar angestrengt mühen, außer kleinen gestischen Gags sowie einfallsreicher Ausstattung und Requisite (Sonja Albartus, Wilfried Meister) lässt sich der absurden Tiergeschichte in dieser Fassung nichts abgewinnen, zumal liebevolle Gags, wie ferngesteuerte Staubsauger des Timings bedürfen. Es dominiert ein erwachsener Duktus und Roswitha Marks wäre eher als gütige Oma, denn als hilfloser Maulwurf aufgehoben. André Kassels überfrachtete Halbplayback-Musik tut ein Übriges und scheitert in ihrem Manierismus vollends am handlungstragenden "Fischstäbchen-Rap". Fazit: Viel Krampf, keine Empfehlung.


3. April 2005

Junge Saitenkünstler

Der siebente "Anna-Amalia-Gitarrenwettbewerb für Kinder und Jugendliche" präsentierte sich bei seinem sonntäglichen Festkonzert im Fürstensaal der Weimarer Musikhochschule als qualitativ hochwertiger Jahrgang. Die international besetzte Jury unter Leitung von Prof. Monika Rost hatte aus über 80 Teilnehmern zwölf Preisträger gefiltert. Die achtjährige, und damit jüngste Konzertgitarristin Sarah Müller aus Bad Steben erhielt eine Sonderauszeichnung als jüngste Teilnehmerin und bedankte sich artig mit einem klassischen Krieger-Menuett. In der Altersgruppe bis zu 13 Jahren siegte Andrea Gonzales Caballero aus Spanien und überzeugte vor allem mit virtuosen Läufen bei Roland Dyens "Tango en Skai". Aufhorchen ließ auch Sanel Redzic aus Bosnien-Herzegowina mit intensiver Dynamik und Bühnenpräsenz. In seiner Altersgruppe (14-16 Jahre) musste er aber den ersten Platz dem Tschechen Petr Benes überlassen, der mit Eleganz und präziser Stimmführung ein Bach-Präludium darbot und gleichzeitig auch den EMCY Art for Music Price einheimste.
Star des Vormittags war unbestritten die in Weimar lebende Bulgarin Magdalena Kaltcheva. Die Siebzehnjährige erhielt den ersten Preis ihrer Altersgruppe und den Sonderpreis für die beste Interpretation zeitgenössischer Pflichtstücke und bot dafür konzentrierte musikalische Spitzenklasse. Sicher ist sie durch ihr Elternhaus ("Duo Kaltchev") positiv vorbelastet. Die Schülerin von Prof. Jürgen Rost stand mit zwingender Bühnenpräsenz souverän über der schwierigsten Literatur und animierte mit dem furiosen "Fuoco" von Roland Dyens nicht nur das kritische Fachpublikum zu begeistertem Applaus. Der Vielzahl von Sponsoren und Förderern ist es zu Danken, dass solche Jungstars ein Podium bekommen und sich mit dem erstmals hier verliehenen EMCY-Preis würdig in europäische Qualitätswettbewerbe einordnen können.



31. März 2005

Ringgeister

Nicht nur, aber besonders in Hollywood gilt, dass ein Fortsetzung eines Kinohits die Kassen klingeln lässt. So auch bei zweiten Teil des Horrorfilms "The Ring", der bei seinem Einstandswochenende in Amerika sofort den Spitzenplatz eroberte. Die Neugier der Besucher ist verständlich, hat doch Gore Verbinski (bekannt aus "Mäusejagd") mit der Neuverfilmung des Originals "Ringu" von Hideo Nakata aus dem Jahre 1998 einen der besten und intelligentesten Thriller des Vorjahres geschaffen. Die Geschichte um ein todbringendes Video, durch welches das Geistermädchen Samara ihre unheilvolle Verbindung mit der Journalistin Rachel (Naomi Watts) und ihrem Sohn Aidan (David Dorfman) einleitet überzeugte nicht nur durch den schlüssigen Plot, sondern auch dem geschickten Einsatz filmischer Mittel. Das experimentelle Kino dominierte die gruseligen Momente intensiv durch Störbilder, Verschiebung der Hintergründe oder Zeitanomalien und machte den Zuschauer zum verstörten Komplizen.
Das Sequel kann die geweckten Erwartungen nur bedingt erfüllen. Originalregisseur Hideo Nakata nutzt mit seinem Hollywood-Debüt die eigene Vorlage stilistisch effektiv. Es gibt wieder erschreckende Überraschungsmomente sowie zwingende experimentelle Bilder und es empfiehlt sich auch hier, nicht allzu viel über die Handlung zu verraten. Besonders die intensive Kinderfigur Aidans prägt das Schauerspiel mit Untoten und Mutterschuld, doch ist das Ganze ein etwas unlogischer Versatzstück-Baukasten mit Erinnerungseffekten, welcher den Vorgänger eher erklärt, als weiterbringt. Trotzdem ist "The Ring 2" durchaus sehenswert, zumal die lange leinwandabstinente Sissy Spacek in einer Nebenrolle überzeugt. Allerdings sei dies keine Empfehlung für Nervenschwache.


29. März 2005

Schwacher Jahrgang

Es war wohl auch der Veranstaltungsfülle geschuldet, dass die Teilnehmer des vierten Thüringer Improvisationstheaterfestivals am Osterwochenende im Weimarer Reithaus weitestgehend unter sich blieben. Spätestens seit das Privatfernsehen diese durch Spontaneität und Witz geprägte Kunstform mit Formaten wie "Schillerstraße" für sich entdeckt hat, sind die qualitativen Anforderungen an das Genre gestiegen. Diese Entwicklungen spiegelte das durch wenig Werbung auf ein Insidertreffen reduzierte Festival wenig. Zwar konzentrierten sich die zwei publikumsoffenen Abende jetzt auch auf die spielerische Langform, doch zeigten die bis auf 90 Minuten gedehnten Improvisationen zeitweise viel Zähflüssiges und nur vereinzelt Spielwitz. Die temporär fusionierten Gruppen "Buntwäsche 60 Grad" und "frisch gepreßt" aus Suhl versuchten sich an einer mittelalterlichen Seifenoper. "Vor den Toren der Stadt", so der programmatische Titel entführte die Akteure auf Publikumswunsch nach Xanadu, wo Aushilfskellnerin Lasana mit Lasagne verpflegt auf Schatzsuche geht, und ein hilfloser Junge vergeblich einen Zahnarzt sucht. Trotz stellenweise skurrilen Witzes und stimmigem Konzept fehlte es dem achtköpfigen Ensemble an der griffigen Umsetzung der Publikumsideen, zu behäbig und eingefahren wurde in den Spielsituationen reagiert.
Ähnlich langatmig agierten die "tiltanics" aus dem schweizerischen St. Gallen. Holprig und ohne wirklich zündende Idee schlängelte sich die Improvisation um einen weißweintrinkenden russischen Single, einzig Pina Casabona konnte als sperriges Kind etwas Witz und Problembewusstsein in die fade Handlung zu bringen. "Drahtseilakt" aus Österreich war in diesem schwachen Jahrgang ein Highlight. Das Quartett spielte einfallsreich den Knoblauch-Konflikt zweier verfeindeter Pizzarestaurants aus, vermochte allerdings auch keine überzeugende Schlusslösung zu präsentieren. Das anschließende Impromusical, besetzt mit einer zehnköpfigen Workshopgruppe um den Holländer Martjin Heller offenbarte viele spielfreudige Talente. Zwar rutschte auch bei dieser Geschichte um einen verliebten Förster vieles ins Klischee, doch war viel an spezieller Situationskomik und Agilität zu erkennen, welche die Attraktivität des Improvisationstheaters prägen. Spätestens hier sei der musikalische Allroundbegleiter Robert Stephan aus Nürnberg erwähnt, der mit einfallsreichem und professionellen Tastenspiel sowie klugem Soundeinsatz bei allen Aufführungen ein solides Rückgrat bildete. Insgesamt war das Festival trotz europäischer Erweiterung und vielen idealistischen Ansätzen kein Glanzjahrgang. Denn alle guten Workshopideen benötigen zumindest bei der Umsetzung eine gute Tagesform der Akteure. Und das gilt auch vor Fachpublikum.


5. März 2005

Witz mit Tiefgang

Die Thüringer Sage "Im Zwergenwald" aus der Sammlung Ludwig Bechsteins ist so schnell erzählt, dass man bequem eine witzige Rahmenhandlung darum bauen kann. Die kleine Mär vom Bauern, der zwar seiner Erbsen durch Zwerge verlustig wird, aber dafür einen Wald gewinnt, ist für das avisierte Kinderpublikum ab vier Jahren leicht fassbar, bereitet aber den Erwachsenen ebenso Vergnügen. Dem Puppentheater "Waidspeicher" ist mit diesem Stück unter Regie von Babette Peiker ein witziges Paradespiel gelungen, welches Ausstattung und Technik ein besonderes Gewicht einräumt. Denn die Erzählerinnen Gurke (burschikos bravourös: Annika Pilstl) und Elvira (mit sanftem Feinsinn: Kathrin Blüchert) präsentieren den Zuschauern zunächst hinter dem Vorhang den nackten Raum, bis mit viel Slapstick und Fantasie das Spielpodest samt Bühnenbild entsteht und damit die eigentliche Erzählung beginnt. Die Mischung aus Schauspiel und Puppenführung überzeugt ebenso wie die sparsame, aber effektvolle Ausstattung von Martin Gobsch mit stimmiger Figurenzeichnung und poetischem Baumbewuchs. Ein kindgemäßes, gut arrangiertes Märchen mit Tiefgang, Witz sowie wandlungsreichen Akteuren - und damit unbedingt empfehlenswert.


28. Februar 2005

Endspiel, verloren

Es ist schwer, sich Thiemes Inszenierung "Margaretha. Eddy. Dirty Rich" vorurteilsfrei zu nähern. Erstens, weil Thomas Thieme für die niederländische Langzusammenfassung nach Shakespeares Königsdramen zum Schauspieler des Jahres gekürt wurde, andererseits, weil er hier auf der DNT-Bühne schon den "Baal" verbockt hat. Die örtliche Gerüchteküche tut ihr Übriges und so kann man dem Publikum zumindest skeptisch gespannte Erwartung unterstellen. Deswegen sind auch verhältnismäßig viele Besucher zur Stückeinführung gekommen. Nach zehnminütiger Verspätung erklärt ein Jüngelchen vom Typ verhinderter Balletteleve den Zuhörern, dass es sich um eine Zusammenfassung einiger Königsdramen handelt, dass der Rosenkrieg seinen Namen aus den Wappen der Yorks und Lancaster erhielt, und dass die Intention der Aufführung darin bestehe, durch Rücknahme der Sprache die zunehmende Verrohung und Verödung darzustellen, anschauliches Gemetzel sei mehr der Kinoleinwand eigen. Nun gut, Kriegsgetümmel ist ja sicherlich schon vor Thiemes Zeiten auch auf die Bühnenbretter gebracht worden, aber wir leben in Zeiten knapper Etats, und die Nachtprogramme von Privatsendern haben derartige Sehbedürfnisse hinreichend befriedigt. Aber vielleicht erböte sich das Geld für eine Magnettafel (von ALDI unter 15 Euro), auf der man fotografisch die handelnden und bald den Bühnentod sterbenden Protagonisten nebst Erläuterung dargestellt und dementsprechend entfernt hätte. Das hat nämlich "Salve-TV" mit Fernsehmitteln ganz witzig bei seiner Reportage über das Stück vorgemacht.
Nach dem dürftigen Vorspiel geht es nun in den Großen Saal, wo in den nächsten dreieinhalb Stunden inklusive Pause elf kleine Königlein gespielt wird, wobei nicht jeder der Dezimierten wirklich nach der Krone strebt, oder sie auf dem Haupte trägt. Und damit ist die Handlung auch schnell erzählt. Es ist ein stumpfes, intrigengestütztes Morden um die Macht, welches der Brutalste gewinnt, aber schließlich mit Einsamkeit bezahlt. Ach richtig, die Frauen sind auch noch dabei, entweder als brünstig hinternzeigende Huren oder als schreiend leidende Mütter. Irgendwo muss das Mordmaterial ja herkommen.
Warum wird das nun inszeniert? Um den Machtmissbrauch mittels Manipulation aufzuzeigen? Den Verfall der Sitten anzuprangern? Oder um einfach das Publikum zu provozieren? Um an einen damaligen Erfolg anzuschließen?
Alles keine wirklichen Gründe.
Nehmen wir den bestmöglichen der Fälle an, die Inszenierung hätte einen Anlass, und wir würden ihn nicht ergründen. Dann könnten wir uns ja an dem besagten Sprachverfall festhalten. Doch wenn man sich auf Sprache stützt, dann muss man diese auch, besonders an handlungstragenden Stellen verstehen können. Doch da liegt das eigentliche Manko. Denn bis auf Hans-Peter Minetti und Detlef Heintze, sowie im Schlussteil Nicole Steiner, Roswitha Marcks und Elke Wieditz sind alle anderen Schauspieler entweder regiemäßig angehalten oder nicht in der Lage deutlich zu artikulieren. Und warum muss man den sprachlichen Niedergang unbedingt mit englischen Kraftwörtern durchsetzen? Traut man der Heimatsprache nicht, oder ist das einfach modischer? Sicher, man könnte an den GI-Slang denken, aber das wäre dann von der Inszenierung her sehr kurz gedacht. (Schließlich gibt es beispielsweise auch in Bosnien oder Ruanda Schlächter.)
Zusätzlich unnötige Längen, Als Ruud Gielens (weder sprachlich noch darstellerisch tragend) zum schier endlosen Schlussmonolog ansetzt, ist eigentlich schon Alles vom Wenigen gesagt. Der letzte Teil wirkt zwar durch Konzentrationen, bessere Bühnenkompositionen und einem beklemmenden Traumspiel von Aleksandar Tesla etwas spannender, aber letztlich ist das Stück nicht zu retten. Denn die Frage nach dem Anlass bleibt unbeantwortet oder verliert sich freundlich gedeutet im Ungefähren.
Ähnliches gilt für die Musik. Ideenlos, gefällig und im überzeichneten Rock- und Punkgestus wirkt sie entsprechend zum Stück: amateurhaft und unentschlossen. Markus Seidensticker ist sicherlich ein guter Komödiant, aber ein lausiger "Rammstein"-Ersatz. Seine Bandmitglieder stolpern auf die Bühne wie Hardrockheroen auf einem Bundespresseball. Also auch hier alle Möglichkeiten verschenkt.
Fazit: Für die Darsteller eventuell ein Happening, aber kein Abend, der uns weiterbringt.


25. Februar 2005

Talenteschmiede

Man sollte bei Konzerten unter der Leitung von Peter Herbolzheimer nicht zu spät kommen. Denn der Vollblutmusiker sparte im fast restlos gefüllten Fürstenhaussaal gegenüber den Säumigen nicht mit ätzenden Kommentaren. Ansonsten ist Herbolzheimer ja eher die freundlich gelassene Figur und hat sich spätestens bei "Bios Bahnhof" einen bundesdeutschen Spitzenruf erworben.
Das Bundesjazzorchester, welches am Donnerstagabend auf Einladung des Jazzinstituts. der HfM unter lockerer Stabführung von Herbolzheimer gastierte, ist eine profilierte Kaderschmiede, in der Musiker wie beispielsweise Till Brönner erste Sporen verdienten. Mit "Street lights" gab die Formation einen furios swingenden Auftakt und erntete schon dort ersten Chorusapplaus. Der Abend wurde durch moderne Spielweisen und stilistisch abwechslungsreiche bluesorientierte Titel geprägt. Die Leistung der jungen Musiker war derart exzellent, dass es schwerfiel, aus der Vielzahl der Talente Spitzen auszumachen. Die anspruchsvollen Arrangements mit südafrikanischer und brasilianischer Rhythmik wie "Zazueira" oder "Why do I ask" wurden durch die wandlungsfähige Trompete Frederik Kösters veredelt, ebenso ließ Altsaxophonist Tim Hoheisel bei dem schwungvollen "Ulla in Afrika" und der stimmigen Ballade "I wish you love" aufhorchen. Das Vokalquintett konnte sich zwar durch die ungenügende akustische Aussteuerung gegen die starken Bläser dynamisch nicht durchsetzen, doch bei den solistischen Gesangspassagen genoss man Satzgesang auf Höchstniveau. Anspruchsvoller Höhepunkt des Konzerts war das Miles-Davis-Cover "All blues", mit raffinierten Bläser- und Vokalarrangements und perfekten dynamischen Wechseln. Zwei Zugaben beendeten die unakademische Lehrvorführung in Sachen Bigband. Von den spielfreudigen Musikern wird man bei diesen Ansätzen sicherlich bald aus dem internationalen Profilager hören.


23. Februar 2005

Gereifter Jahrgang

Sie lieben ihn trotz oder wegen seiner gelebten Achterbahnfahrten. Wecker ist wie ein guter Jahrgangswein - je gereifter, umso vollmundiger und besser. Früher forderte er stündliche Sonnenuntergänge, jetzt sitzt er "am Flussufer" und sinniert. Dabei spiegelt er kreativ sein bisheriges Schaffen, und fördert voller Lebensweisheit neue Entdeckungen aus sich heraus. Es gibt Wiederbegegnungen an diesem Dienstagabend in der ganz gut gefüllten Weimarhalle. Der pianistisch kraftvolle "Revoluzzer", die bittere Erzählung vom "Vaterland" und dem Erstarken der Rechten und die Satire "Stilles Glück, trautes Heim" sind zeitlose Wecker-Klassiker, die durch ein musikalisch versiertes Begleittrio aufgefrischt und aufgewertet werden. Keyboarder Jo Barnikel, Norbert Nagel an Saxophon und Flöten sowie der afghanische Perkussionist Hakim Ludin bringen stilistische Vielfalt, besonders bei latinoorientierten Liedern wie "Feine Gesellschaft". Manchmal fehlt den Begleitprofis allerdings des Frontmanns anarchisches Element, aber das ist vielleicht ein Tribut der Unterordnung.
Konstantin Wecker kokettiert anfangs mit Alter und Brille, watscht dann Börsianer und gierige Erben ("Präposthum") ab, bis er den ersten Teil mit der tiefgründigen und poetischen Kindheitserinnerung vom "ganzen schrecklich schönen Leben" beendet. Der Abend lebt auch von kraftvollen Appellen und punktgenauer Lichtregie, findet sein Zentrum aber in der Besinnlichkeit. "Lass mich einfach nicht mehr los" ist eines der besten und reifsten Liebeslieder aus Weckers Feder. Und wenn ihn der "Wedam", der bayerische Blues packt, dann spricht auch sein innerer Schelm, der dann im übermütigen Couplet "Vom Sinn" ausbricht und das Konzert beschließt, ehe ein ausführlicher Zugabenteil mit Scatgesang und dem "Sommer, der nicht mehr weit ist" folgt. Schluss und Höhepunkt ist "Schlendern", eine Hymne an die Stille und gegen die Hektik der Zeit. Und damit begrenzt Wecker bewusst die stehenden Ovationen, denn ein solch guter Jahrgang muss auch in Ruhe ausklingen.


21. Februar 2005

Schampus und Wermut

Das kleine, feine Studiotheater im Weimarer Belvederepark wandelte sich an diesem Wochenende zur einfallsreichen Amüsierbühne. "Ganz ohne Männer geht die Chose nicht!" hieß das Zweitsemester-Projekt des
Instituts für Gesang und Musiktheater der örtlichen Musikhochschule und sorgte bei beiden Aufführungen für vollen und begeisterten Saal. Das lag vorrangig an der pfiffigen Inszenierung von Gastregisseurin Simone Zeisberg-Meiser. Die vorzügliche und praktische Einrichtung von Gisela Kühn setzte effektiv auf die Drehbühne und setzte das lockere Singspiel modern in Szene.
Sechs Frauen himmeln sich um Ulrich Burdack (Waldemar), der etwas ungelenk im Ausdruck aber stimmlich präzise diese Hahnenrolle zu füllen vermag. Seine Kommilitoninnen balzen mit Vergnügen in verschiedenen Typisierungen mittels Operetten- und Couplethits in der kurzweiligen Nummernrevue. Franziska Krötenheerdt kann als wandelbare und schauspielerisch begabte Franzi nachhaltig überzeugen, ihr glockenheller Sopran meistert zudem mühelos das "Schwipserl" aus Paul Abrahams "Blume aus Hawaii". Der Rest des Damensextetts bietet durchaus Achtbares im Satzgesang, beispielsweise als Glühwürmchenterzett aus Linckes "Lysistrata". Trotz gut umgesetzter und witziger Choreografien (Klaus Massalsky) und der versierten pianistischen Begleitung durch Hermann Werner flößt allerdings die undeutliche Artikulation Wermutstropfen in die Champagnerseligkeit. Hier stecken, ebenso wie im Darstellerischen noch viele Reserven, denn selbst im inspirierenden Belvedere fallen die Meister nicht vom Himmel. Trotzdem empfiehlt sich das Studiotheater mit dieser Aufführung zwingend als Spielort der kleinen Form. Ein Pfund, welches schon alleinig aus touristischen Erwägungen nicht weiterhin von der Musikhochschule unbedacht verschenkt werden sollte.


20. Februar 2005

Qualität im Doppelpack

Sie haben ihr Handwerk in der halleschen Burg Giebichenstein gründlich gelernt. Die erste gemeinsame Personalausstellung "Künstler in Zeiten des Sturms" von Dennis Klostermann und Thomas Mehner, die am Freitagabend im Weimarer "C.Keller" am Markt 21 eröffnet wurde, ist eine der sehenswertesten und humorvollsten Expositionen im Programm der engagierten Szenekneipe.
Klostermann ersinnt fiktive Porträts, surrealistisch überzeichnet mit Hang zur Karikatur. Der "betrogene Beamte" dem Satyrhörner wachsen, die altklugen Forscher ("Wissen-macht-Freunde") oder der unheimliche Ahab aus "Moby Dick" sind abgründige Psychogramme. Klostermann arbeitet vorrangig mit Tinte und Filzstift, montiert und aquarelliert mit hoher Sensibilität. Die insgesamt 26 Porträts zeugen von stilistischer Vielfalt und Akribie, Letzteres gilt vor allem für die fein strukturierte "Pressluft", deren vorquellendes Auge den Betrachter noch lange verfolgt.
Gleichrangige Entdeckung der Ausstellung ist Thomas Mehner, ein begnadeter Illustrator, der mit seinen Arbeiten mehrere Altersstufen begeistern kann. Mehnerts Kosmos spiegelt sich in Tierfiguren, die mit hintergründigem Witz und präzisem Strich in Beziehung gesetzt sind. Es sind "Fabelwesen für das perfekte Kinderzimmer", so Mehner. Die fantasiefreudigen Temperabilder ("Zwei Freunde", "Träumer", "Zweiter Frühling") bestechen durch Komposition und Farbigkeit. Mehner setzt sich aber auch gekonnt mit politischem Alltag auseinander. Sein "Alter Fritz" spioniert den Zuschauer mit vielen Augen aus und "Befreites Land" setzt rechtsradikalen Tendenzen intelligenten Witz entgegen. Mehners Buntstiftblatt "Zorro" definiert die Banane neu, der eindringliche "Engel" geriert als ernsthafter Clown. Porträts und Geschichten sind entweder liebevolle Karikaturen oder beißender Spott. Eine gehaltvolle Ausstellung, welche professionelle Maßstäbe setzt.


6. Februar 2005

Musik als Trumpf

Seitdem das Autorenpaar Allan und Barbara Pease ihre fundierten und ironisch kommentierten Untersuchungen zum Verhalten der Geschlechter publizieren, landen sie auch in Deutschland auf den Bestsellerlisten.
"Warum Männer lügen, und Frauen immer Schuhe kaufen" hieß der diesbezügliche Dramatisierungsversuch des "Jungen Musical Ensembles Arnstadt", der am Samstagabend seine Premiere feierte. Das Theater am Schlosspark des Ortes war sehr gut gefüllt und erwies sich als idealer Ort für die kleinkünstlerische Unternehmung.
Der Laienstatus gab dem sechsköpfigen Ensemble unter der Regie von Michael Schneider einen Sympathiebonus, den es durchaus verdient hatte. Auf hohem musikalischem Niveau ersang sich das Damentrio Constanze Eberhardt, Manuela Maiwald und Pamela Schmidt sowohl im Satz als auch in Soloparts die Gunst des Publikums, pianistisch und gitarristisch solide begleitet von Stephan Janson. Das breitgefächerte Repertoire zwischen Klassik, Girliepop und Soulstandards bot intelligent gewählten Anspruch und bildete das starke Standbein des Abends. Dagegen konnten sich die schauspielerischen Leistungen leider nicht behaupten. Zwar wohnte den Texten von Pease, Kishon und Barth viel Witz und Pointiertes bei, doch gerade die Loriot-Szenen fordern präzise Sprache und Aktion. Dem waren Beatrice Schiel und Axel Kohl leider nicht gewachsen, und so stellte sich das Amüsement eher via Text als über die Darbietung her. Das Publikum erkannte sich in den treffsicheren Beobachtungen von Geschlechterbeziehungen lachend wieder und belohnte die etwas zu lang geratenen Nummernfolge mit abschließenden stehenden Ovationen. Fazit: Ein heiterer Abend ohne Tiefgang aber leichtem Erkenntnisgewinn und eindeutigen musikalischen Siegern.


30. Januar 2005

Keine Bewegung

Es waren fatalistische Erkenntnisse, welche durch die Referenten der Tagung "Popkultur und Politik" konstatiert wurden. Die Podien- und Vortragsfolge im Weimarer Reithaus, veranstaltet von der Landeszentrale für politische Bildung, dem Archiv der Jugendkulturen und der örtlichen Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte geriet zum Szene-Seismograph mit pädagogischem Ansatz und ernüchternden Beobachtungen.
Denn die Jugendkulturen sind längst nicht so progressiv, wie ihr Ruf. Sexismus und Homophobie sind auch im Reggae und Hiphop an der Tagesordnung, die rechten Jungdemagogen brechen subtil und erfolgreich in die Techno- und Raveszene ein. Demzufolge verkündete der "taz"- und "Jungleworld"-Fachjournalist Jörg Sundermeier mit seiner These "Pop löst nichts" eher eine Bestandsaufnahme, denn eine Provokation. Da alle popmusikalischen Strömungen marktwirtschaftlich besetzt sind, werden kreative Bewegungsfelder permanent eingegrenzt; der trendige Punk bestellt sich seine Identität als Nietengürtel via Internet. Die Übernahme der deutschen Musiksender durch "MTV" sieht Klaus Farin vom Archiv der Jugendkultur nicht als Katastrophe, da "Viva" für ihn immer ein schlechter Klon des Konkurrenten darstellte: "Ist eine Band erst erfolgreich, folgt meist die Entpolitisierung, da das subkulturelle Umfeld fehlt." Auch die ideologische Zuordnung gestaltet sich immer schwieriger, beispielsweise bedient nicht jedes Konzert in besetzten Häusern das linke Spektrum. Das Wort Stagnation wurde sorgsam vermieden, doch innovative Tendenzen konnte man auch nicht finden.
Insofern ist es schon die hoffnungsvollste Geste, sich nicht vereinnahmen zu lassen.


20. Januar 2005

Entwürdigend

Frisch in Weimars Spielstätte "Shakespeares" eingesiedelt, dachten sich die Mitglieder des "Galli-Theaters" auch etwas zu den klassischen Geistern der Stadt beisteuern zu müssen. Das zieht sicherlich ebenso Touristen wie Einheimische an, doch seien diese gewarnt. Denn was unter dem Titel "Goethe gegen Schiller" zelebriert wird, ist auf beispiellos niedrigem Niveau. Theatergründer Johannes Galli, der sein Stück als deutsche Komödie bezeichnet, geht von der simplen Idee aus, dass ein ruhmsüchtiger Goethe unter freundschaftlicher Vorgabe seinen Rivalen Schiller vergiftet. Mit oberflächlicher Plünderung im reichen Zitatenschatz des Dichterpaares und historisch völlig unkorrekter Zuordnung ist schon Gallis Vorgabe fragwürdig. Krispin Wich (Goethe) und Harald Trede (Schiller) agieren zudem über eine Stunde derart dilettantisch, dass es nicht nur den Rezensenten zu fassungslosem Kopfschütteln nötigt. Weder die clownesken Elemente, noch die Zitatenduelle können überzeugen. Das Goethe-Bonmot vom getretenen Quark kommt einem spätestens nach der zweiten Wiederholung der Giftverabreichung durch den Geheimrat unwillkürlich in den Sinn, aber es folgen noch fünf dieser langwierigen Etappen. Schiller stirbt langsam zur "Ode an den Mond" und das kommt einer Publikumserlösung gleich. Ergänzt von einer einfallslosen und unpassenden Musikdramaturgie, welche die gestischen Längen mit vordergründigem Pop untermalt, ist diese Uraufführung eine einzige intellektuelle und schauspielerische Peinlichkeit. Es heißt, dass auch in jeder schlechten Inszenierung noch etwas Gutes stecken soll. Ich bin nicht fündig geworden.


3. Januar 2005

Flacher Sockelbeitrag

Um dem diesjährigen Weimarer Schillerreigen den schnellsten Auftakt zu verschaffen, wurde am Sonntagabend im "Theater im Gewölbe" die Vorpremiere der DNS-Analyse "War Schiller sexy?" angesetzt. DNS steht hier für "Deutsche-Nationaldichter-Sex-Analyse", und damit ist der zweifelhafte Gehalt des Abends leider hinreichend beschrieben.
Regisseur Ulf Annel versucht sich dem Menschlichen im Genius zu nähern, doch geschieht dies nicht auf Augenhöhe, sondern auf Gürtellinie. Die Idee heißt Doppeldeutigkeit, und erschöpft sich in kleinen Wortspielen und Ansätzen von Typenkabarett. Die konfuse und liebeswillige Professorin de Kalb (Sibylle Tancke), assistiert von einem eitlen, verschrobenen Schauspieler (Martin Schink) und einem übereifrigen und deutschunkundigen Akkordeonisten (Alexander Voynov), will mittels Schillerschen Originalzitaten die libidinösen Obsessionen des Dichters beweisen. In den besten Momenten der Inszenierung gibt es eine originelle Wendung der Ballade "Der Taucher" oder eine frischen Interpretation von "Kastraten und Männer". Sibylle Tanke stellt hier ihre sängerischen und pianistischen Qualitäten unter Beweis. Auch die anfänglichen Präzisierungsversuche Martin Schinks bergen lustige Momente. Alexander Voynov beherrscht sein Instrument souverän, seine anarchischen Einlagen sind die spärlichen Lichtblicke des Abends. Die Anleihen aus Klassik- und Pophits von "Rosenstolz" und Paul Young sind virtuos und unterhaltsam.
Insgesamt ist diese Produktion aber gut gemeintes Anlassbrettl ohne Tiefgang und schauspielerische Rafinesse. Wohlgemerkt: Es ist nichts dagegen einzuwenden, Schiller humoristisch vom Sockel zu heben, aber solche Niederungen hat er nicht verdient. Da sollte man sich eher parodistisch an seinem Pathos abarbeiten...

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