Spiegelzeltblog 2013

30. Mai 2013


DER EMPÖRER

 

Er kann noch schlechter. Wilfried Schmickler hat vor zwei Jahren mit seinem Programm „Weiter“ das Spiegelzelt gefüllt, nun setzt er mit „Ich weiß es doch auch nicht“ seinen Betroffenheitsstil fort.

Schmickler ist kein Mann der Pausen, er prangert fast ununterbrochen mit wortspielerischen Kaskaden an, und gibt sich dabei als moralisierender Kommentator des aktuellen Mediengeschehens. Im Rahmen des Kabarettistenreigens, der in dieser Saison im Zelt gastierte, fällt er deutlich ab, denn dieses analysefreie Pointentheater ist längst von intelligenteren Herangehensweisen seiner Zunftkollegen abgelöst worden. Bei Schmickler macht es die Masse, diese Wucht von schnellgesprochenen Parabeln, die sicherlich ein spezifisches Können dokumentieren, aber vom Erkenntnisgewinn eher lau und manchmal problematisch ist.

Dass Politiker und Experten schwafeln, wussten wird das nicht schon längst? Warum dann darüber eine lange, teilweise wortwitzig formulierte Lesung? Warum ein Angriff auf Gauck, weil der nun mal präsidial spricht und schreibt? Warum schwingt da bei diesem nun doch integren Mann so eine billige Unterstellung? Warum Niebel der Dummheit bezichtigen, wenn der wegen dieser plakativen Einschätzung geistiger Armut als ungefährlich durchgeht? Ist das FDP-Bashing und die Medienschelte in dieser Form nicht schon sattsam vertreten? Sicher, es zu benennen ist legitim, und findet, wie auch an diesem Abend, ein begeistertes Publikum. Aber ebenso legitim ist es zu fragen, ob der Kölner Schmickler es sich mit dieser rheinischen Empörungssicht nicht doch etwas zu einfach macht. Merkel als die „Mutti im Chaos“ ist eben doch etwas zu eindimensional. Es ist eine Art Fernsehwissen, launig kommentiert und von Kalauern durchsetzt. Das Publikum wird nicht verstört, denn es ist ja immer auf der richtigen Seite, und diese Art Kungelei zwischen Künstler und Publikum hat eigentlich in den letzten zehn Jahren abgedankt, auch wenn einige Platzhirsche das noch nicht bemerken wollen.

Und so beschwert sich Schmickler unbeirrt über parlamentarisches Wachkoma, den „Talkshowsessel“ Hans-Olaf Henkel, die allseits wabernde Popmusik, Kindergeburtstage als Events und den mobilen Menschen mit seiner Angst vor der Stille.

Am Überzeugendsten ist Schmickler, wenn er sich sozial engagiert.  Wenn er die Renten als „Altersarmutszeugnis“ geißelt, und den Älteren eine Karriere als „Mülltaucher“ empfiehlt, und sich in diesem Fall über den Irrsinn von deutschen Strafbarkeiten echauffiert, dann ist das ebenso wahrhaft wie tiefgründig. Und das ist ihm bei aller Kritik zugute zu halten: Schmickler ist ehrlich, seine Wut auf bestehende Zustände keine Show, sondern ein Statement. Wenn auch überwiegend ein Langweiliges.

Zwischendurch gibt’s zur Auflockerung ein paar Halbplayback-Lieder. Schmickler ist Profi genug, um schauspielerisch singen zu können, seine Bewegungen sind eher schlagerbardenmäßig und die Inhalte stellenweise fragwürdig. Seine Seemannsliedparodie reduziert die Piraten nur auf ihre Internetaffinität, und auch wenn er danach versichert, dass diese Partei für ihn durchaus Protestpotential hat, ist das halt eher Häme als substantielle Kritik. Als er seinen verstorbenen Kollegen Pachl und Ensikat das „Lied vom Stillesein“ widmet, sorgt das für den einzigen Ruhepunkt im Programm. Warum er dazu allerdings Goethes Nachtlied verwursten musste, bleibt geschmacklich fraglich, besonders wenn man den feinsinnigen Ensikat persönlich erlebt hat.

Am Schluss gibt es noch einen klugen Fragekatalog und Empfehlungen zum privaten Widerstand. Da spürt man dann doch noch mal Angriffslust und bekommt ein paar unbequeme Fakten geliefert. Schließlich die routinierte Zugabe mit dem Gedicht über die Gier und die Merchandisingstipps. Den begeisterten Schlussapplaus hat er sich für seine Schnellsprecherei und sein Credo verdient. Aber nichts Tiefschürfendes oder Analytisches, nirgends. Schade eigentlich.


FAZIT

Betroffenheitskabarett als wortwitziger Sprachparcours.


SPRUCH DES TAGES

„Mein Lieblingskulturcamping!“

Wilfried Schmickler zum Spiegelzelt


SPLITTER

Diese Witterung macht dem Spiegelzelt zu schaffen. Zwar blieb das Schmickler-Publikum von Regenschauern verschont, und die beiden freien Konzertabende haben dem Zeltklima durch Lüftung gut getan. Doch schon in den nächsten Tagen ist wieder viel Nass zu erwarten. Das Spiegelzelt ist zwar „dicht“, aber es bildet sich Kondenswasser, was dann ab und zu auch mal auf die sensible Technik tropft. Wollen wir hoffen, dass Petrus langsam ein Einsehen hat. Denn solch eine regenreiche Saison haben die langjährigen Zeltmitarbeiter noch nie erlebt. Die sind eigentlich nur Hitzeklagen gewohnt...

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