Spiegelzeltblog 2013

17. Mai 2013


BERUFLICHE VIELFALT


Das neue Programm „Predigt erledigt“ ist gar nicht so neu. Man trifft viele alte Bekannte und Geschichten wieder, doch in der Wiederholung liegt nicht weniger Sprengkraft. Die Fangemeinde von Andreas Rebers nimmt das sowieso nicht übel, denn ein Held ist ein Held ist ein Held, um mal mit Gertrude Stein zu sprechen.

Der Weserbergländer und Wahlmünchner ist mit seinem kabarettistischen Schaffen ein Zeltgast der ersten Stunde, also seit  2004 dabei. Seit geraumer Zeit ist das Jackett der „Allemannia“-Trainingsjacke gewichen, und er ist immer besser geworden, obwohl er ja schon auf hohem Level angefangen hat. Das erklärt auch das ausverkaufte Zelt, in das Rebers kommt, sieht und siegt.

Er hat wieder seinen 68er Rhythmuscomputer mitgebracht, der „soviel Strom verbraucht, dass es beim Anschalten in Gotha dunkel wird“. Und schon begleitet er sich singend am verzerrten Keyboard, und verkündet, dass es mit der Merkel wieder eine Damenwahl wird. Nach eigenem Bekunden ist er mit linker Empörung reich geworden, während seine Freundin am niedrigen Rentenbescheid knabbert. Aber Rebers denkt ja global, deswegen schlägt er vor, dass man mit jedem Panzer doch auch ein paar Senioren exportieren solle, „weil die ja das Ding auch bedienen können“. Und da ist er wieder ganz der, den wir lieben: so herrlich politisch unkorrekt, nach allen Seiten austeilend und in der Themenwahl nie auf ausgetretenen Pfaden.

Rebers dramaturgisches Markenzeichen sind seine verblüffenden Verknüpfungen. Schon im Vorjahr erzählte er beispielsweise von dem „Amokläufer bei Tengelmann“, doch nun erzählt er auch den Grund: ihm wurde von Emily („der dicken Emily, weil BILD-Leser ja immer Adjektive brauchen“) der Kassenbon gestohlen. Und schon hat er die Nachrichtenwelt im Visier, welche zwischen Altersarmut, Rentnerschwemme und „textiler Disziplin in Berlin“ immer wieder etwas Diffamierendes findet.

Rebers übt auf der Bühne wieder mehrere Berufe aus. Er ist Reverend der schlesischen Bitokken, einer Religion, die sich im Gegensatz zu den Katholiken auch Pausen leistet. Zudem wirkt er als militanter und bornierter Hausmeister an der Erziehung des „Hammerkindes“ mit und erweist sich dabei als konsequenter „Dachlattenpädagoge“. Er geht mit der Kombizange gegen Kopfhörer in der Straßenbahn vor, doziert über  die Nähe von Hatschi und Dschihad und erklärt, was Kardinal Meisner mit einer LIDL-Tüte macht. Manchmal kopiert er die Hitlersprache: dass Frau Künast die Reichshauptstadt regieren will, geht schon deshalb nicht, weil Berlin ja schon eine Bürgermeisterin hat. „Angst macht mir, dass mir so etwas einfällt“, wird er an anderer Stelle gestehen, doch das hindert ihn nicht, mit Kirchentags-, Afrika- und Masturbationsliedern zu treffen, wo es richtig wehtut. Denn der bürgerliche Wohlstandsmensch wird in Rebers Programm aus der Spießersicherheit torpediert. („Die Grünen wollen nur eins: dass wir gesund sterben“).

Er sitzt, ähnlich wie die Legende Hüsch, hinter seinem Keyboard, welches er mit einem „schlesischem Gebetsteppich“ (dem röhrenden Hirsch vor Waldhintergrund) drapiert hat, und lässt im Sekundentakt seine schwarzhumorigen Pointen vom Stapel. Es gibt, wie eingangs erwähnt, Wiederbegegnungen: die Diskussion um Biowildlachs und Steinofenbrot mit seiner Nachbarin Frau Hammer, die Zeugen Bonsais und die rätselhafte Botschaft, dass die Ente weiter ist. Insofern ist Rebers neues Programm eine Art „work in progress“, und wird durch neue Sprüche und Szenen frisch belebt. Zu Xavier Naidoo merkt er lakonisch an, dass es in unserem Land wohl zu wenig Waffen gibt, der neue Papst hat für ihn Ähnlichkeit mit Biolek („aber solange der nicht kocht...“), und er freut sich, dass fast alle Kinder einen Helm tragen („wenn das der Führer wüsste“)

Rebers ist in Bestform und das Zelt erbebt bei den vielen Lachsalven mehr als zweieinhalb Stunden. Die Zugabe bringt wieder die brillante Lispelnummer und eine böse Ballade vom „Banker mit Herz“. Dann ist die begeistert gefeierte Predigt zu Ende, und man geht mit dem typischen Rebers-Satz nach Hause: „Humor kann auch lustig sein“. Und Andreas Rebers kann sich weiterer Zeltjahre sicher sein.


FAZIT

Ein Fixstern am deutschen Kabarett-Himmel.


SPRUCH DES TAGES

„Im Laufe des Lebens nimmt die Vergangenheit quantitativ zu.“

Andreas Rebers


SPLITTER

Viele Besucher fragen mich am „Krrritikrrrtsch“, welches Programm ich denn empfehlen könne, und was ich für gut befand. Und so erzählte ich beispielsweise von Fatih Çevikkollu, der auf seine Frage, warum wir denn keine Revolution starten würden, aus dem Publikum die Antwort bekam: „Wir Ossis haben schon eine Revolution gemacht, jetzt seid ihr dran.“ Ein fachkundiger Besucher aus Weimar, der auch am Tisch saß, klärte mich auf: dieser Satz stammt eigentlich von Uwe Steimle. Wollen wir hoffen, dass „uns Uwe“ da mal keinen Plagiatsprozess anzettelt...

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