Spiegelzeltblog 2013

16. Mai 2013


DIE ZAUBERER


Nach der Pause hat er die Finger voller falscher Klunker und singt „Diamonds are forever“. Im Gegensatz zu diesem Schmuck bietet Edson Cordeiro mit den „Klazz Brothers“ ein hochkarätiges Konzert, das die Zuschauer aus gutem Grund von den Sitzen reisst.

Das Spiegelzelt ist ausverkauft, und Martin Kranz betont in seiner abendlichen Eingangsrede wieder einmal, dass die „Klazz Brothers“ nichts mit Klezmer zu tun haben. Das Vorurteil hält sich eben sehr hartnäckig, obwohl die Musiker ja, wie die Schreibweise eigentlich verrät, eher im Jazz beheimatet sind. Kilian Forster (Kontrabass), Tim Hahn (Schlagzeug) und Bruno Böhmer Camacho (Piano) legen zunächst als Trio los und eröffnen mit dem Bee-Gees-Oldie „How deep is your love“. Und sobald die ersten Takte erklingen, liegt ein Schweben in der Luft, so leicht, so pulsierend und perlend. Mit klar erkennbarer, wenn auch rhythmisch verfremdeter Melodie wird hier über den ganzen Abend gezaubert. Bruno Böhmer Camacho stiehlt dem Hauptstar des Abends fast die Show: einfallsreich, virtuos und schwungvoll spielt er auf den Tasten von Flügel und Keyboard, dass das Publikum sofort fasziniert ist, obwohl man das im Zelt ja nicht das erste Mal erlebt. Denn die „Klazz Brothers“ sind in den zehn Zeltjahren schon zu Stammgästen geworden. 2011 feierte man sie zusammen mit „Cuba Percussion“ und den lateinamerikanisch feurigen Mozart-Adaptionen. An diesem Abend widmen sich die Musiker den Disco-Klassikern und haben mit dem brasilianischen Stimmwunder Edson Cordeiro eine kongeniale Führungskraft gewonnen.

„Disco Lounge“ entspricht der schrankenlosen Bandbreite der Vier. Ob nun Salsa, Samba, Bossa Nova, Rock, Klassik, Funk oder Blues – hier wird zusammengespielt, was man eigentlich nicht zusammen vermutet, und das in einem explosiven Mischungsverhältnis. „YMCA“ wird zur Countrynummer, Beethoven paart man mit Stevie Wonders „Superstition“, „Staying alive“ bekommt brasilianische Schübe und „We are family“ gerät zum klassischen Blues. Das ist alleine schon instrumental überzeugend, aber mit Cordeiro bekommt das Ganze den genialischen Kick.

Cordeiro beherrscht stimmlich alle Register und kann singen wie Donna Summer, Billie Holiday oder Elvis Presley. Im Duett mit dem Kontrabass gibt er Janis Joplin mit „Mercedes Benz“ und baut Bobby McFerrin gleich auch noch ein. „It’s raining men“ von den „Weather girls“ wird von ihm  stilecht interpretiert und lateinamerikanisch vertanzt, und auch der Narziss „Prince“ wird in Stimmlage und Bewegung genau kopiert. Das ist schon faszinierend und verblüffend, aber wenn sich Cordeiro mit Carmens „Habanera“ dann noch zur Opernsängerin steigert, dann kennt das Zelt kein Halten mehr und steht applaudierend und jubelnd vor der Bühne. Cordeiro erobert nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit viel Humor und Entertainment. Ob in Goldhemd oder Fransenjackett – immer holt er das Intensivste aus sich heraus, und diese Hingabe an das Metier spürt das Publikum und weiß es mit viel Beifall zu honorieren. Deswegen auch zwei lange Zugaben, einmal sehr temporeich Gloria Gaynors „I will survive“ und dann als Gänsehautnummer ABBAs „Dancing queen“ als gefühlvolle Ballade.

Obwohl das Konzert eigentlich der ideale Soundtrack für einen Sommertanzabend am Strand sein dürfte, erreicht der Wolkenbruch bei der letzten Zugabe das Zelt, und die Blitze erleuchten die Nacht. Aber vielleicht wollte Petrus das Publikum nach diesem superheißen Konzert auch einfach nur abkühlen.


FAZIT

Stimmliches und instrumentales Feuerwerk.


SPRUCH DES ABENDS

„Da bekommen doch Plagiate eine positive Bedeutung.“

Ein begeisterter Zelt-Besucher zu Cordeiros Wandlungsfähigkeit


SPLITTER

Vielleicht bewirken ja Kritiker-Kritiken doch etwas: nachdem ich moniert hatte, dass nach den Spiegelzelt-Abenden die Ackerwand dunkel blieb, leuchteten gestern die romantischen Laternen wieder hell. Danke für die Einsicht, sei an dieser Stelle gesagt.


Im Spiegelzelt-Hintergrund wirken viele „gute Seelen“ mit, und sind Gewähr für die flüssigen Abläufe und die angenehme Atmosphäre. In loser Folge stelle ich einige der Zeltmitarbeiter vor.


Heute: Friedrich Erler (29)















                                                                              Foto: Stefan Kranz


Was arbeitest Du beruflich außerhalb der Spiegelzelt-Saison?

Ich arbeite als Eventmanager und manchmal als Stadtführer.


Und Dein Job im Spiegelzelt?

Ich bin Außenbarmann, schenke also in der Hütte vor dem Zelt die Getränke aus und kümmere mich um die Außenbestuhlung.

 

Was macht dir hier am meisten Spaß

Klingt vielleicht lapidar, aber der Umgang mit den Gästen. Das ist für mich insofern spannend, weil die hier wirklich Kultur erleben wollen.


Welcher Abend hat Dir am besten gefallen?

Schwierig zu entscheiden: Hagen Rether und Mina Tindle.

 

Was war Dein nettestes Zelt-Erlebnis

Ein Besucher fragte: „Wo ist die große Garten mit die Fluss?“ Es hat eine Weile gedauert, bis ich mitbekam, dass er den Ilmpark meinte.


Was wünschst Du Dir für das Zelt?

Ich suche einen zuverlässigen Wettermann weil der Aufbau von Tischen und Stühlen ja immer witterungsabhängig ist. Das kann auch ruhig eine Schamanin sein, Hauptsache die Vorhersage stimmt.

datenschutzDatenschutz.htmlDatenschutz.htmlshapeimage_1_link_0