Spiegelzeltblog 2013

8. Mai 2013

ERNEUTE ERWECKUNG

Da war er wieder, der Soulprediger und „Marlene“-Preisträger vom Vorjahr. Er ist der zweite Hamburger Künstler der das Spiegelzelt sofort rockt. Mit dem Bill-Withers-Klassiker „Ain’t no sunshine“ steigt Stefan Gwildis solistisch und mit Scatgesang ein und erweist sich wieder einmal als Stimmkünstler der besonderen Art. Seine Reibeisenstimme, welche die Verkörperung des deutschen Souls schlechthin ist, weiß er gekonnt einzusetzen, wobei er durchaus auch die Kunst der Sparsamkeit und Dynamik perfekt beherrscht. Dass ihn sofort ein starker Applaus empfängt, zeigt den „Heimspiel“-Charakter des Konzerts: Gwildis liebt das Zelt, und das Zelt liebt Gwildis.

„Mach die Musik so laut Du kannst“ ist diesmal nicht programmatisch gemeint, denn Gwildis tritt nur mit Klavierbegleitung auf, die in den Meisterhänden von Tobias Neumann liegt. Er hat auch die neue CD mit der NDR-Bigband arrangiert, welche unter dem Namen „Das mit dem Glücklichsein“ am 17. Mai 2013 das Licht der Musikwelt erblickt. Hier aber ganz sensible Töne, die Beiden verstehen sich blind und haben sichtbar Spaß miteinander. Das liegt auch daran, dass Gwildis so ungekünstelt locker ist und gerne blödelt. Wenn er den alten Bluesmimen gibt, Lasagnegedichte vorträgt, oder mit dem Publikum spricht und aus dem Toilettengang einen Stegreifblues macht, dann ist das Spaß vom Feinsten. Eine Überraschung des Abends war der Song „Der Einsame“, die Vertonung eines Heinz-Erhardt-Gedichtes, bei der das Schmunzeln dieser Humor-Institution erneut eine Gegenwart findet.

Doch hauptsächlich gibt es natürlich wieder mitreißenden amerikanischen Soul mit ausschließlich deutschen Texten (viele davon stammen aus der Feder seines alten Schulkameraden Michy Reincke) und die Wiederbegegnung mit alten Gwildis-Hits. („Hutzelmann, du bringst den Flügel ran“, eine weitere blödelige Spontaneinlage des Sängers, die dem Instrumentenverleiher aus Eisenach gewidmet ist, könnte eventuell auch ein ganz großer Hit werden, allerdings mehr in Sendungen, die Florian Silbereisen präsentiert...)

Und die Brüder und Schwestern singen und klatschen begeistert mit, weil ja eigentlich nach dem dritten Song des Abends der lockere Zugabenteil beginnt. „Memphis“ und „Caruso“, der „Nature boy“ von Nat King Cole oder als Neuzugang „Fall nicht auf mich rein“, ursprünglich von Michelle Legrand komponiert, werden bei diesem Programm „Freihändig“ wieder zu interpretatorischen Perlen. Das liegt nicht nur an der wandelbaren Stimme von Stefan Gwildis, sondern auch an seinem sensiblen pianistischen Begleiter. Tobias Neumann beherrscht die Kunst des Weglassens, er agiert bei den Balladen angenehm verhalten, sorgt aber bei den Mitklatschnummern auch für den gehörigen Druck auf die Tasten. „Heut ist der Tag“, der heimliche Gwildis-Hit wird um eine Scateinlage der lateinamerikanischen Art erweitert, und  es gibt auch zwei wunderschöne Liebeserklärungen an Hamburg („Grau“ und „Regennacht in Hamburg“) welche das Kietzgefühl sehr eingängig beschreiben.

Der Temptation-Oldie „Just my imagination“ („Nur in mein’ Gedanken“) bringt nicht nur das Zelt, sondern auch den Krritikrrr himself zum Singen. („Same procedure as last year...“ – diesmal aber länger!) Dann vier Zugaben mit Swingtönen, dem Gute-Laune-Song „Hallelujah“, dem Otis-Redding-Hit „Sitting on the dock of the bay“ mit Gwildis an der Gitarre und schließlich vierhändig am Klavier Brubecks „Take five“. Das Publikum ist schon vorher aufgestanden, um dem Soulpriester mit frenetischem Beifall zu huldigen. Halleluja ihr Brüder und Schwestern: damit habt ihr sehr recht getan!


FAZIT

Souverän verteidigter „Marlene“-Inhaber-Abend.


SPRUCH DES TAGES

"Die Schwarzbierwürstchen - monsterlecker"

Stefan Gwildis zu seiner Spiegelzelt-Verpflegung


SPLITTER

Auch morgen wird Stefan Gwildis das Konzert im Spiegelzelt geben. Und ein Gast, der sicher in der ersten Reihe sitzt, freut sich ganz besonders darauf: Günther von Dreifuss, das Weimarer Liedermacher-Rocker-Urgestein. Denn im vorigen Jahr gab es schon ein spontanes und beklatschtes Duett der beiden Vollblutmusiker. Mal sehen, ob es morgen wieder klappt...

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