Spiegelzeltblog 2013

19. Juni 2013


RÜCKBLICK UND AUSBLICK 2013


War das ein Abschlussabend, war das eine Saison! Ein bisschen Wehmut schwingt beim Intendanten, den Zeltmitarbeitern und auch dem Krrrtikrrr immer mit, wenn das Zelt wieder abgebaut wird. Denn es sind in sieben intensiven Wochen 41 Vorstellungen bewältigt, die Mitarbeitergesichter von der Anstrengung und langen Nachtarbeiten gezeichnet, und so ist man bei aller leiser Traurigkeit auch froh, das Spiegelzeltfestival im zehnten Jahr gestemmt zu haben.

Die Zahlen können sich sehen lassen: 19200 Besucher zählte das Zelt in diesem Jahr, das entspricht einer 92-prozentigen Auslastung. Damit ist das Jubiläum von der Besucherzahl das Erfolgreichste, auch wenn nicht alle Träume reiften. Die Bilanz hätte noch besser aussehen können, wenn die vier (!) Wagner-Abende mit Stefan Mickisch, eine Kooperation mit der Stadt Weimar, besser besucht gewesen wären. Das lag meines Erachtens aber auch an der Spezifik, und der wenig breitenwirksamen Art, wie Mickisch den „Ring“ vermittelte. Und ca. 200 verkaufte Karten pro Vorstellung sind für Spiegelzeltverhältnisse wenig, da der Veranstaltungsraum ja eigentlich 500, und unbestuhlt, wie bei „Ray Collin’s Hot Club“ 700 Plätze fasst (die dann auch restlos ausverkauft waren).



Dass Martina Schwarzmanns Zeltdebüt mit der diesjährigen Marlene geehrt wird, ist ebenso überraschend wie verdient. Ihr Programm im Geiste Karl Valentins ist eine erfrischende, neue Art des Kabaretts. Martin Kranz hat nun nur das Problem, im nächsten Jahr einen Termin für die bodenständige Künstlerin zu finden. Schwarzmann wird den Preis wahrscheinlich auf ihrem bayerischen Bauernhof vom Intendanten überreicht bekommen, und ich nehme an, dass sie sich über diese Ehrung wirklich riesig freuen wird. Überhaupt sind die Künstler voll des Lobes über das Spiegelzelt. Neuzugang Michael Krebs bekannte, so eine gute Logistik im Zusammenspiel noch nie erlebt zu haben, und Stefan Gwildis pries das Catering als „Best of the world“.

Aber eine Erfahrung lehrt die Prämierung auch: Martina Schwarzmann war eine der Wenigen, die nicht offensiv auf der Bühne für ihre Marlene-Stimmen geworben hat. Das scheint also damit auch kein Garant für den begehrten Preis zu sein.

Überraschend war die Schwarzmann-Wahl nach zeitintensiver Auszählung von 2148 Stimmkarten, dann aber doch. Denn der zehnte Jahrgang war eigentlich eine Abfolge von Höhepunkten.


Deswegen ist der Krrrtikrrr auch in Erklärungsnot, wenn er seinen diesjährigen Favoriten bestimmen sollte. EIN Abend kommt in diesem Fall sowieso nicht in Frage, also hier kurz eine Aufzählung: die beiden Gwildis-Konzerte mit dem hervorragenden Pianisten Tobias Neumann, „Maybebop“, die mit ihrer neuen Show den Vorgänger noch einmal toppen konnten, Stimmwunder Edson Cordeiro mit den „Klazz Brothers“, Starpianist Joja Wendt, die Kreisler-Hommage von Tim Fischer, der zweite „stumme“ und ideenreiche Abend mit „Ohne Rolf“, Neuzugang Michael Krebs mit seinem „Flüsterfuchs“, die verträumte Reise mit Anna Depenbusch, das phänomenale Pigor/Eichhorn-Konzert mit Band, der Wortakrobat Jochen Malmsheimer, der schweißtreibende und stilechte „Rockn’roll“-Abend mit „Ray Collin’s Hot Club“, der Kabaretthimmel mit Steimle und Alfons und letztlich der Überflieger Rainald Grebe. Doch damit täte ich anderen Unrecht, also sage ich lieber, was mir nicht gefallen hat: Henning Venske und Wilfried Schmickler mit langweiligen Kabarett, und der Abend mit Lizzy Aumeier und Otfried Fischer, da letzterer so stark von Parkinson gezeichnet war, dass er in dieser Form vorgeführt wirkte.


Jemand, der mir diese Wertungen sicher bestätigen könnte, wäre Stammgast Reinhard-Müller Hollenhorst. Im vorigen Jahr hielt er den Besucherrekord mit 20 Veranstaltungen, diesmal verteidigte er den Titel mit 28 Abenden. Jedenfalls teilt er auch meine Meinung, dass der Besuch der ersten Riege von deutschen Kabarettisten die „Politinformation“ ersetzt, denn es gab bei Deutschmann, Rebers, Rether, Çevikkollu und Steimle auch viel Nachdenkenswertes und Hintergründiges über Politik zu hören.


Auch Caterer Torsten Montag kann sehr zufrieden sein. Seine neuen Menüs sind hervorragend angenommen worden, die Gäste und Künstler lobten überschwänglich. Diesjährige Renner waren das Kalbsschnitzel  mit zweierlei Spargel (1. Platz), die Platte „Italienische Reise“ (2. Platz) und die Köstritzer Schwarzbierwurst mit Schokoladensauerkraut und Heichelheimer Kartoffelpuffern auf dem dritten Platz. Bier floss wieder in (nicht bezifferbaren) Mengen, auch wenn die lange Regenzeit die Kehlen nicht so durstig machte. Das alkoholfreie „Miraculix“ wurde auch sehr gerne bestellt, und vom Krrrtikrrr neben seinem liebevoll servierten heißen Wasser öfter genossen. Torsten Montag konnte in seinem sechsten Zeltjahr auch beobachten, dass es neben den Stammbesuchern auch viele neue Gäste gab. Das spricht ebenso für die Qualität des Festivals wie das dauerhafte Sponsoring durch die Köstritzer Schwarzbierbrauerei und die enge und zuverlässige Partnerschaft mit dem benachbarten Dorint-Hotel. Olaf Albrecht, Leiter Kultur- und Sportmanagament der Köstritzer Brauerei, konnte zwar selbst erst zur abschließenden Pressekonferenz kommen, lobte aber die Qualität des Festivals, sah das Sponsorengeld wieder gut angelegt und versprach, dass seine diesjährige Zeltabstinenz die Ausnahme bleiben würde. Auch Stefan Seiler vom Dorint-Hotel verzeichnete wieder Besucherzuwächse und ist mit seiner unbürokratischen und stillen Hilfsbereitschaft sowieso ein Glücksfall für das Zelt und Weimar.



Was war nun das Besondere in dieser Saison?

Der Künstlermix war wieder durchdacht, setzte auch auf Neuentdeckungen und war damit überwiegend erfolgreich. Diese Bereitschaft, auch Sachen jenseits des Mainstream zu präsentieren, und nicht nur vorrangig auf die Besucherquote zu schielen, hat sich bei diesem „ungeförderten“ Festival ausgezahlt. Unter den Künstlern gilt das „Köstritzer Spiegelzelt“ mittlerweile als begehrte Auftrittsstätte, und diese Mund-zu-Mund-Propaganda ist ein guter Garant, um Stars auch zu erschwinglichen Preisen nach Weimar zu holen.

Fünf Wochen Dauerregen machten dem Veranstalter natürlich auch zu schaffen. Zwar war das Zelt dicht, aber es gab erstmalig Probleme mit dem Kondenswasser, was aber gottseidank nicht der sensiblen Technik zusetzte. Das Weimarer „Flutbild“ auf SPIEGEL-Online löste fast tausend Telefonate von besorgten Besuchern und Künstler-Managern aus. Martin Kranz und seine Crew hatten alle Mühe die Anrufer zu trösten, denn das Zelt war von dem Ilmpegel zu keiner Zeit betroffen. Apropos Crew: Man merkt, dass hier neun Leute eng verzahnt und engagiert arbeiten. Dass sie das seit zehn Jahren ohne Fluktuation dauerhaft tun, spricht für den guten Leitungsstil des Intendanten.

Dass in diesem Jahr noch einmal 2000 Besucher mehr den Weg ins Spiegelzelt fanden, was auch den vier zusätzliche Abenden geschuldet war, hieß natürlich auch für die gastronomischen Saisonkräfte Mehrarbeit. Doch freundlich und zuverlässig betreuten sie in kurzer Zeit pro Abend die zahlreichen Gäste und leisteten gerade bei Woehler, oder dem „Hot Club“ Herkulisches.



Ein dauerhaftes Problem stellt aber für das Zeltteam die Haltung der Stadt dar. Jedes Jahr im November beantragt Martin Kranz brav die Stellfläche auf dem Beethovenplatz, und garantiert Weimar begeisterte Besucher und ein tolles Programm. Die Zusage von der Stadt bekommt er aber, trotz der schon traditionellen Erfolgsarbeit, erst im April, und das auch nur jährlich. Wertschätzung sieht anders aus. Vergleichbare Festivals haben dauerhafte Mehrjahresverträge, die entspannte Planung möglich machen. Dass die Stadt Weimar ausgerechnet beim „Köstritzer Spiegelzelt“ so zurückhaltend zuteilt, ist eigentlich nicht verständlich. Auch wenn das Festival ein kommerzielles Unternehmen ist, sollte man doch eigentlich gerade solche Initiative freudig ermöglichen. Man stelle sich vor, dass der neue DNT-Intendant Hasko Weber mit seinem Sommertheater auf solche Konditionen gestellt wäre. Der würde sich gar nicht darauf einlassen!

Deswegen geht an die Stadt Weimar mein Appell, das „Köstritzer Spiegelzelt“ in Weimar dauerhaft zu halten. Denn wenn das Zelt an einen anderen Ort zieht, wäre das ein großer Image- und Kulturverlust dieser Stadt. „Wir tun alles, um die Auflagen zu erfüllen. Eine Geste wäre also schön“ sagt dazu Martin Kranz, und das weist den Diplomaten aus.



Letztlich die Ausblicke: Offenbar sicher ist, dass Heike Teschner aus Kromsdorf im nächsten Jahr das Festival besucht. Glücksfee Katja Walther, im Nebenberuf Köstritzer Pressefrau, bescherte ihr nämlich per Los den Marlenegewinn: eine Übernachtung in einer Suite des Dorint sowie zwei Menüs in der Zelt-Loge. Der rote Eingangs-Teppich des Zelts muss erneuert werden, denn die vielen Besucher wetzen selbst den härtesten Stoff nach einiger Zeit ab. Und zuverlässig bleibt auch, dass das Programm des nächsten Jahres bis zum November 2013 ein Geheimnis bleibt. Doch auch, wenn die Safes der Veranstalter noch verschlossen sind: mit einem weiteren Qualitätsjahrgang kann zuverlässig gerechnet werden.



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